[TdW 81] Sollte der Export von Überwachungstechnik reguliert werden?

Diesmal beschäftigt sich das TdW mit einem Thema, das im Schatten der ständig neuen Enthüllungen über das Unwesen schnüffelnder Geheimdienste etwas untergegangen ist: Dem unkontrollierten Verkauf von Überwachungstechnologie an Diktaturen & Polizeistaaten. Erstmals öffentlich thematisiert wurde diese Angelegenheit vor gut zwei Jahren, als im Rahmen des arabischen Frühlings in Geheimdienstzentralen in Libyen und Ägypten auch deutsche Software gefunden wurde, die den alten Machthabern dazu gedient hatte, ihr Volk und die Opposition zu bespitzeln & zu unterdrücken.
Jetzt ist das Thema durch WikiLeaks (ja, die gibt's wohl noch) wieder aufgetaucht:
Nun veröffentlicht seine Organisation Hunderte Seiten Dokumente von Herstellern von Überwachungstechnologie. Es finden sich Informationen über Firmen wie Glimmerglass oder Vupen. Glimmerglass bietet Hilfsmittel zum Anzapfen von Glasfaserkabeln an, Vupen verkauft Informationen über Schwachstellen bekannter Software, damit Staaten so in Computer einbrechen können. Der Markt der Überwachungstechnologie ist milliardenschwer. Wenn ein Diktator den Amerikanern nacheifern und ein Spähprogramm aufbauen möchte, kann er sich an deutsche Firmen wie Trovicor, Utimaco, Atis, Elaman und Gamma Group wenden.
Zum Beispiel Staatspräsident Berdimuhamedow, der offiziell von 97 Prozent seiner Untertanen gewählt wurde. In sein Reich schickte die Gamma Group ein Angebot: Die deutsch-britische Firma präsentierte eine Überwachungslösung namens "Finfly ISP". Das Produkt wird in den Knotenpunkten des nationalen Internets installiert, dann können Nutzer "infiziert" werden, deren Daten über die zentralen Kreuzungen geschickt werden - also praktisch jeder. Ist erst ein Gamma-Trojaner auf der Festplatte, hat der Staat potenziell Zugriff auf das gesamte virtuelle Gedächtnis der Zielperson, auf E-Mails, Geschäftsdaten und Unterhaltungen mit dem Videotelefonie-Programm Skype.
[...]
Wikileaks wurden auch Daten zugespielt, aus denen hervorgeht, wie oft die großen Hersteller von Spähprodukten in welches Land gereist sind: Alleine dieses Jahr waren Mitarbeiter deutscher Firmen demnach in Turkmenistan, Oman und Äquatorialguinea - Staaten, die in Demokratie-Rankings auf den hintersten Plätzen landen. "Die Reisen der Firmenvertreter in die meisten dieser Länder lassen vermuten, dass die Unternehmen ihrer Verantwortung für Menschenrechte nicht gerecht werden", sagt Christian Mihr von Reporter ohne Grenzen. Gamma-Chef Münch reiste den Daten zufolge ins autoritär regierte Kasachstan.
[...]
In Großbritannien beispielsweise sind die Regeln etwas strenger. Dort hat die Gamma Group neben München ihren Hauptsitz. Aktivistengruppen haben bei der britischen Kontaktstelle für die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) Beschwerde eingereicht. Sie werfen Gamma vor, an den Polizeistaat Bahrain geliefert zu haben. Die Ermittler hätten dann dank der Technik Oppositionelle aufgespürt und gefoltert.
Quelle: Deutsche Hersteller liefern Spähtechnologie an Diktaturen - Digital - Süddeutsche.de

Aber anders als z. B. Waffen oder Kriegsgerät, stehen solche Exporte in Deutschland nicht unter besonderer Aufsicht, da Trojaner und "Hackertools" nicht als Waffen gelten. Trotzdem sind sie, genau wie Waffen, dazu geeignet Diktaturen zu festigen und Leid und Tod über Menschen zu bringen.
Unsere schwarz-gelbe Regierung hält die Regelungen für ausreichend - allerdings halten die ja auch den NSA Skandal für beendet.
Das TdW stellt daher die Frage: Sollte der Verkauf Überwachungstechnologie den gleichen Kontrollen und Auflagen unterliegen, wie Kriegswaffen? Oder sind die bestehenden Regeln ausreichend und Diktatoren auch nur zahlende Kunden?
 
Gerade im Software-Bereich ist der Verkauf gar nicht regulierbar, zumindest nicht solange man Daten verschlüsselt versenden kann.
 
der versuch diesen markt zu regulieren ist in etwa mit dem versuch vergleichbar ein drogenkratell dazu zu bewegen für neue drogen ein medizinisches zulassungsverfahren zu durchlaufen ...
 
Ich finde die ganze Frage obsolet. Das Problem in diesen Staaten ist nicht die Software oder das Internet. Das Internet beinhaltet keine Freiheit oder Restriktion - es kann lediglich als werkzeug für das eine oder andere ge- oder eben missbraucht werden. Es wäre sicherlich nicht das schlechteste, aber ändern würde sich rein gar nichts.

Hinzukommt die Tatsache, dass die Infrastruktur für den Auslass oder das Abfragen von Daten ja ohnehin schon vorhanden ist (was auch aus einigen Broschueren hervorgeht -> ETSI und "plug'n spy"). Und sofern die betreffenden Staaten über keine eigenen IXPs verfügen, kann doch auch überall anders mitgeschnüffelt werden...
 
Eine Regulierung von Spionagesoftware klingt schön, würde aber eine allgemeine Infrastruktur zur Kontrolle von aller Software erfordern, sowie eine Klassifizierung was spioniert und was nicht. Niemand - insbesondere Politiker - sollten Software selektiv verbieten können. Wen man das erlauben würde wäre es durchaus vorstellbar, dass eines Tages nur noch "vertrauenswürdige" Software genutzt werden darf. Diese ist natürlich von [großer Firma] begutachtet worden und [freies Konkurrenzprogramm] erfüllt [willkürliche Kriterien] nicht.

Wenn Software frei sein soll, dann muss auch solche dazugehören.
 
Also Überwachungstechnik und -software ist bereits reklementiert.
Wollt ihr die Diskussion um den Hackerparagraphen neu beleben?
Auch bei Hardware wird darauf hingewiesen, dass die gesetzlichen Bestimmungen,
wie der Schutz der Privatsphäre, einzuhalten sind.
Der Export in Länder, die solche Regularien nicht haben oder achten ist wie der Waffenexport
also ein rein moralisches Problem. Wobei wir hier eben zusätzlich das Problem haben,
dass der Grossteil dieser Technik bildlich gesprochen schlichtweg als Küchenmesser
deklariert werden kann, auch wenn es als Kampfmesser eingesetzt werden kann oder wird.

"vertrauenswürdige" Software
Solange es kein Gesetz gibt welche Firmen verpflichtet den Umfang ihrer Zusammenarbeit
mit Geheimdiensten offenzulegen werden wir wohl das "vertrauenswürdig" nicht
nur in Quotes schreiben müssen, sondern können es getrost wegllassen.
Allerdings würde ein solches Gesetz auch das Ende der Geheimdienste bedeuten. :wink:

Gruss
 
bitmuncher hat gesagt.:
Gerade im Software-Bereich ist der Verkauf gar nicht regulierbar, zumindest nicht solange man Daten verschlüsselt versenden kann.
Aber es ist ein gewaltiger Unterschied ob man ungehindert Zensur- & Überwachungstechnologie an Diktaturen verkaufen kann, da es keine nennenswerten Kontrollen, Auflagen, Genehmigungspflichten oder gar Exportverbote gibt oder ob man bestehende Kontrollen, Auflagen, Genehmigungspflichten oder gar Exportverbote umgeht, indem man kritische Software verschlüsselt versendet und falsch deklariert, oder?
Ich bin kein Jurist, würde aber sagen es ist der Unterschied zwischen einer legalen Transaktion und rechtswidrigen Schmuggel.

Chromatin hat gesagt.:
Das Internet beinhaltet keine Freiheit oder Restriktion - es kann lediglich als werkzeug für das eine oder andere ge- oder eben missbraucht werden.
Das gilt aber auch für Waffen, oder? Ein Panzer ist nicht per se ein Unterdrückungsinstrument, aber in den falschen Händen kann er eben dafür missbraucht werden. Deswegen gibt es für Panzer und andere Waffen Kontrollen, Auflagen, Genehmigungspflicht oder gar Exportverbote - eben um zu verhindern das deutsche Rüstungsunternehmen Waffen in die falschen Hände geben. Wird hier nicht mit zweierlei Maß gemessen?

end4win hat gesagt.:
Also Überwachungstechnik und -software ist bereits reklementiert.
Ist das so? Hast Du Details dazu? Denn eigentlich wären dann ja die ständigen Appelle der Opposition (ok, das könnte man noch als populistisch abhaken), aber auch von Bürger- & Menschrechtsorganisationen nach Regulierung völlig sinnlos.

Die Organisation Reporter ohne Grenzen fordert schon seit Jahren nationale und europäische Kontrollen und Regeln für den Export solcher Technologien, hier mal ein Auszug aus einem Papier von 2012:
Der unregulierte Handel mit Spähsoftware, mit der autoritäre Machthaber kritische Blogger und Bürgerjournalisten verfolgen, ist eine der größten Bedrohungen für die Meinungsfreiheit und Menschenrechtsarbeit im Internet, so Reporter ohne Grenzen und Human Rights Watch. Europäische Regierungen müssen einen gemeinsamen Ansatz entwickeln, um den Export von Überwachungstechnologien zu regulieren, da ein Großteil dieser Exporte aus der EU stammt.
Quelle: Reporter ohne Grenzen: EU muss Handel mit digitalen Waffen strenger kontrollieren

Ebenfalls im Jahr 2012 hat unsere schwarz-gelbe Bundesregierung audrücklich klar gemacht das keine solchen Kontrollen erwünscht sind:
Im Gegensatz zu Großbritannien will die deutsche Bundesregierung den Export von Überwachungstechnologien an autoritäre Regime nicht kontrollieren. Zwar hat das Auswärtige Amt solche Technologien in die Sanktionen bestimmter Staaten aufgenommen. Für generelle Exportkontrollen ist aber das Wirtschaftsministerium zuständig – und das fördert diese Exporte sogar noch.
Quelle: https://netzpolitik.org/2012/staats...achungstechnologien-fordert-den-export-sogar/

Moment mal? Nicht nur keine Kontrollen, sondern das Wirtschaftministerium fördert solche Exporte sogar noch? Tatsächlich musste unsere schwarz-gelbe Bundesregierung das auf Anfrage der Grünen im Jahr 2011 bestätigen:
Die Bundesregierung räumt ein, den Export deutscher Überwachungstechnologie mit Hermesbürgschaften abgesichert zu haben.
Quelle: Exporthilfe für Überwachungstechnologie? | NDR.de - Fernsehen - Sendungen A - Z - Zapp

Übrigens kann man auch dem im Eröffnungsposting verlinkten SZ Artikel entnehmen, dass gegen die deutsch-englische Firma Gamma Group in England Beschwerde bei der OECD eingereicht wurde, weil es dort strengere Regeln gibt:
In Großbritannien beispielsweise sind die Regeln etwas strenger. Dort hat die Gamma Group neben München ihren Hauptsitz. Aktivistengruppen haben bei der britischen Kontaktstelle für die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) Beschwerde eingereicht. Sie werfen Gamma vor, an den Polizeistaat Bahrain geliefert zu haben. Die Ermittler hätten dann dank der Technik Oppositionelle aufgespürt und gefoltert. Die Kontaktstelle, angesiedelt im britischen Wirtschaftsministerium, sah die Anschuldigungen als schwerwiegend und schlüssig genug an, um ein Mediationsverfahren einzuleiten.
Quelle: Deutsche Hersteller liefern Spähtechnologie an Diktaturen - Digital - Süddeutsche.de

Man weiß das man Nachholbedarf hat, wenn selbst Großbritannien - die Hochburg für Wirtschaftsliberalismus, Privatisierung und Deregulierung in Europa schlechthin - die Wirtschaft strenger reguliert als man selbst...;)
 
Zuletzt bearbeitet:
Wir haben eben den Hackerparagraphen, der eine Weitergabe von
Programmen und Technik verbietet, wenn diese für illegale Aktivitäten genutzt
werden soll. Wir haben aber hier eine Technik, welche sich genauso gut
eignet Terroristen, Drogendealer und Waffenschieber zu überwachen, wie eben
auch die ungeliebte Opposition. Wir selbst haben diese Technik bei unseren
Providern installieren lassen, um unseren Behörden Ermittlungsarbeit zu ermöglichen,
wie lange es dauert oder ob sie uns schon auf die Füsse gefallen ist (NSA :wink: ) wer weiss,
und wir haben eben auch Interesse daran, dass unsere Überwachung nicht an den
Landesgrenzen abbricht.
Zudem ist vieles von dieser Technik eben auch notwendig um überhaupt ein
leistungsfähiges Netzwerk zu betreiben. Ohne diese Technik würden wir erst gar
nicht erfahren, dass es diese Opposition gibt und sie verfolgt wird.

Es ist durchaus ein Dilemma des technischen Fortschritts, dass alles nicht nur
für gute Zwecke eingesetzt werden kann.
Doch wer beurteilt eigentlich was gut ist?

Gruss
 
end4win hat gesagt.:
Wir haben eben den Hackerparagraphen, der eine Weitergabe von
Programmen und Technik verbietet, wenn diese für illegale Aktivitäten genutzt
werden soll.
Aber das greift hier doch gar nicht! Wenn ein Diktator deutsche Technologie benutzt um Dissidenten zu enttarnen, zu verhaften und zu foltern (wie im Fall der Gamma Group), ist das in jedem Fall unmoralisch, aber nicht notwendigerweise illegal (restriktive Staaten haben restriktive Gesetze).
Genauso sieht es mit der missbräuchlichen Verwendung von Kriegswaffen aus: Wenn ein Diktator eine Demonstration von Panzern niederwalzen lässt, ist das sicherlich unmoralisch, trotzdem jedoch nicht unbedingt illegal (da werden dann eben aus Demonstranten gewalttätige Aufrührer gemacht). Aber Panzerexporte unterliegen in Deutschland dem Kriegswaffenkontrollgesetz und sind genehmigungspflichtig - eben weil der Gesetzgeber ausdrücklich gesagt hat das moralische und politische Erwägungen über wirtschaftlichen Interessen stehen.
Sowohl Waffen, als auch Überwachungstechnologie sind Werkzeuge mit hohem Missbrauchspotential - für die einen gibt es Exportkontrollen & Genehmigungspflicht, für die anderen nicht. Warum?

Was Menschen- und Bürgerrechtsorganisationen seit Jahren fordern, wie ich persönlich finde völlig zu recht, ist das hier nicht länger mit zweierlei Maß gemessen wird, sondern das Exporte von Überwachungstechnologie den gleichen Kontrollen unterliegen müssen wie Kriegswaffen.

In anderen Staaten ist man da ja auch bedeutend weiter - sogar UK scheint strengere Regeln zu haben. Unsere schwarz-gelbe Bundesregierung lehnt jedoch nicht nur Kontrollen ab, sondern fördert solche Exporte auch noch mit Bürgschaften. Hier stellt die Bundesregierung also ganz klar wirtschaftliche Interessen über moralische Bedenken - möglich wird das, weil mit dem Kriegswaffenkontrollgesetz vergleichbare Regulierungen in Deutschland schlichtweg fehlen...

Die jüngsten Enthüllungen von WikiLeaks, die zeigen wie sich deutsche Firmenvertreter bei den Diktatoren dieser Welt die Klinke in die Hand geben, werden den unermüdlichen Einsatz von Menschenrechtsorganisationen für eine Regulierung hoffentlich beflügeln und den Druck auf die Bundesregierung erhöhen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn sich ein Staat wie Syrien per Überwachungstechnik vor schwarzer Propaganda aus USA/UK/FR schützen kann, ist es eher zum Vorteil für die Menschheit.
 
Was Menschen- und Bürgerrechtsorganisationen seit Jahren fordern, wie ich persönlich finde völlig zu recht, ist das hier nicht länger mit zweierlei Maß gemessen wird, sondern das Exporte von Überwachungstechnologie den gleichen Kontrollen unterliegen müssen wie Kriegswaffen.

Ist kaum realisierbar bzw. sinnvoll, da man auch viele alltägliche Produkte zur Überwachung einsetzen kann.

Und nimmt man mal zur Kenntnis das die USA in ihren Militärstützpunkten in Jordanien und der Türkei al-Qaida Terroristen (man erinnere sich an den 11. September zurück) als Rebellen gegen Assad ausbilden und sie jetzt sogar mit modernen Waffensystemen beliefern, kann man den ganzen Anti-Terrorkrieg in Frage stellen!
 
Tobias_25 hat gesagt.:
[...]kann man den ganzen Anti-Terrorkrieg in Frage stellen!
Was heißt hier kann? Man muss den ganzen sogenannten War on Terror in Frage stellen!

Wie hat der Westen den auf den Terror islamistischer Extremisten reagiert? Aushöhlung von Grundrechten, Ausweitung der Befugnisse von Geheimdiensten & Sicherheitsbehörden, systematische Verletzung der Privatspähre von Menschen in aller Welt, Entführungen, Geheimgefängnisse, Folter, Todesschwadronen (wie die Task Force 373) und gezielte Tötungen durch Drohnen-Angriffe (mit massenhaft "Kollateralschäden") in aller Welt - wenn das kein Staatsterrorismus ist...X(

Aber das ist ein anderes Thema - vielleicht etwas für das nächste TdW...;)
 
Wie hat der Westen den auf den Terror islamistischer Extremisten reagiert? Aushöhlung von Grundrechten, Ausweitung der Befugnisse von Geheimdiensten & Sicherheitsbehörden, systematische Verletzung der Privatspähre von Menschen in aller Welt, Entführungen, Geheimgefängnisse, Folter, Todesschwadronen (wie die Task Force 373) und gezielte Tötungen durch Drohnen-Angriffe (mit massenhaft "Kollateralschäden") in aller Welt - wenn das kein Staatsterrorismus ist...X(

Dann würde ich Dir folgende Bücher empfehlen:
- C.W. Mills 1962: Die amerikanische Elite
- Thomas Biebricher 2012: Neoliberalismus zur Einführung (diese politischen Konzepte sind rund 100 Jahre alt, besonderes Augenmerk dem "monetaristischen Neoliberalismus" und Du hast das, was Du grade selbst geschrieben hast, nur wissenschaftlich formuliert.)

Beide Bücher zusammen ergeben ein gutes Gesamtbild (Mills kann man diagonal lesen).
 
Aber das greift hier doch gar nicht! Wenn ein Diktator deutsche Technologie benutzt um Dissidenten zu enttarnen, zu verhaften und zu foltern (wie im Fall der Gamma Group), ist das in jedem Fall unmoralisch, aber nicht notwendigerweise illegal (restriktive Staaten haben restriktive Gesetze).
Genauso sieht es mit der missbräuchlichen Verwendung von Kriegswaffen aus: Wenn ein Diktator eine Demonstration von Panzern niederwalzen lässt, ist das sicherlich unmoralisch, trotzdem jedoch nicht unbedingt illegal (da werden dann eben aus Demonstranten gewalttätige Aufrührer gemacht). Aber Panzerexporte unterliegen in Deutschland dem Kriegswaffenkontrollgesetz und sind genehmigungspflichtig - eben weil der Gesetzgeber ausdrücklich gesagt hat das moralische und politische Erwägungen über wirtschaftlichen Interessen stehen.

Rüstungsexport: Exportboom für Kleinwaffen made in Germany | ZEIT ONLINE
Rüstungsexporte: Lizenz zum Töten | ZEIT ONLINE

Eigentlich glaube ich ja nicht das du diese Links nicht kennst.
Moral sagst du, es gibt sie nicht diese eine Moral. Es gibt ein Intresse an stabilen
Verhältnissen in der Region und wer diese bietet und fleissig bei uns Luxusfahrzeuge
bestellt und Öl liefern kann wird unterstützt.

Informationsstelle Militarisierung (IMI) » EU-Rüstungsexporte: Unerwünschte Debatte

Ich zitier mal ein paar Stellen :wink: ist ganz schön viel Text.

Alle Versuche, mit einem rechtsverbindlichen EU-Rüstungsexportkontrollsystem, dem »Gemeinsamen Standpunkt«, die Waffenausfuhren in Konfliktregionen oder in Länder, in denen die Menschenrechte massiv verletzt werden, zu verhindern (oder wenigstens zu begrenzen), sind bislang kläglich gescheitert. Verantwortlich hierfür sind zahlreiche Schwächen des »Gemeinsamen Standpunktes«, die ein permanentes Unterlaufen der dem Wortlaut nach eigentlich recht eng gefaßten Exportkriterien ermöglichen. So werden munter weiter Waffen in alle Welt transferiert.

Dies hängt mit der wesentlichsten Schwachstelle des »Gemeinsamen Standpunktes« zusammen: Weiterhin können Nationalstaaten die Kriterien auslegen, wie es ihnen gerade beliebt. Ob ein Land wie etwa Saudi-Arabien die Menschenrechte verletzt (Kriterium 2), kann jedes EU-Land für sich selbst entscheiden. Sollten also gewichtige Exportinteressen im Spiel sein, werden diesbezügliche Hindernisse schlichtweg weginterpretiert. Hier liegt eine wesentliche Ursache dafür, daß es weiter möglich ist, die Kriterien geflissentlich zu ignorieren. So kommt etwa eine Studie des »Bonn International Center for Conversion« (BICC) zu dem Ergebnis, knapp 30 Prozent der von der Bundesregierung im Jahr 2011 erteilten Lizenzen für die Ausfuhr von Rüstungsgütern hätten gegen eines oder mehrere der EU-Rüstungsexportkriterien verstoßen.

Natürlich wäre die denkbar beste Variante, sämtliche Rüstungsexporte generell zu verbieten – eine konsequente Anwendung der acht Kriterien, wie sie vom Berichtsentwurf »Waffenausfuhr« eingefordert wurde, würde dem allerdings schon relativ nahekommen. Und genau aus diesem Grund wurde letzterer nun auch von den Konservativen versenkt. Schon allein eine Debatte um die löchrige Rüstungsexportkontrolle ist offensichtlich unerwünscht, wie auch Berichterstatterin Sabine Lösing in ihrer eingangs zitierten Presseerklärung betont: »Die Konservativen haben damit deutlich gemacht, daß sie die Interessen der europäischen Rüstungsindustrie vor Menschenrechte stellen. (Sie) wollen jede öffentliche Diskussion über effektivere Kontrollen der Rüstungsexporte verhindern und so eine mögliche strengere Umsetzung blockieren. Gerade die CDU/CSU scheint damit verhindern zu wollen, daß ihre Position zu Waffenexporten im Bundestagswahlkampf publik wird.«

und auch auf die doppelte Verwendung wird eingegangen

Ein weiteres Manko ist, daß Güter mit doppeltem Verwendungszweck (Dual use) vom »Gemeinsamen Standpunkt« nicht erfaßt werden. Dies ist besonders für »zivile« Sicherheitstechnologien problematisch, die sehr häufig für interne Repression verwendet werden. Wenn man also schon auf solche Ausfuhren nicht gänzlich verzichten will, sollten sie ebenfalls wenigstens in ein verbindliches Rüstungsexportkontrollsystem eingebunden werden. Dabei wäre dann »zwingend vorzuschreiben, daß bei einem Export von Sicherheitstechnologie und generell von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck die Vereinbarkeit mit den acht Kriterien geprüft wird« (Rüstungsexportbericht, Artikel 10).

Der Hackerparagraph wäre meiner Meinung nach durchaus anwendbar,
der schliesst weder Import noch Export aus, auch auf den Ort der Straftat
wird nicht eingegangen.
Was fehlt ist eben der Nachweis, dass beim Verkauf die missbräuchliche
Verwendung bekannt war.
Es müssen also eigentlich nur vorhandene Regeln und Gesetze auch
angewandt werden und auch auf die tatsächliche Verwendung geprüft werden.
Wenn allerdings die Regierung solche Exporte ausdrücklich genehmigt und
damit eigentlich die missbräuchliche Verwendung ausschliesst, was dann
auch bei Sicherheitstechnik zu erwarten ist, hilft auch kein explizites Gesetz mehr.

Gruss
 
Moral sagst du, es gibt sie nicht diese eine Moral.

Moral ist ein sehr variabler Begriff, höchst umstritten und wird täglich etwas anders verstanden, selbst durch ein und den selben Akteur. Moral ist dem Gesetz der Geschichte unterworfen und den emotionalen Befinden der Menschen.

Wenn man etwas solideres will, muss man von Ethik sprechen, nur erhält die ihre Gültigkeit durch abstrakte Gesetzmäßigkeiten, die man erst einmal verstehen lernen muss und selbst dadurch können unmoralisch erscheinende Handlungen dem Wohle eines Großen ganzen dienen. Was Diktatur und Unterdrückung keineswegs schön reden soll!
 
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