[TdW 90] Frisst der Kapitalismus seine Kinder?

Nach einer längeren Pause (sorry dafür) meldet sich das TdW heute mit einem Thema zurück, das dafür viel Raum für Kontroversen lässt: Frisst der Kapitalismus seine Kinder?
Mit Kapitalismus ist im Kontext dieser Frage vor allem die (freie?) Marktwirtschaft gemeint, die sich spätestens seit Ende des Kalten Kriegs als weltweite Wirtschaftsordnung etabliert hat. Gerade für die Kernstaaten des ehemaligen Westblocks (die westlichen Industrienationen), schien der Kapitalismus eine Art Gottesgeschenk an die Menschheit zu sein: Die Wirtschaft blühte, der Wohlstand wuchs kontinuierlich und jeder konnte sich ganz dem Konsum hingeben. Natürlich gab es ein paar Geburtsfehler wie z. B. die Tücken des Fiat-Money und des Zinssystems, doch dessen waren (und sind) sich nur die wenigsten bewusst. Die offensichtlicheren Schönheitsfehler wie z. B. das wachsende Heer der Arbeitslosen, konnte man leicht ignorieren. Andere Schattenseiten der stetig wachsenden und nach Profitmaximierung lechzenden Wirtschaft wie z. B. unwürdige Arbeitsbedingungen oder auch einfach anfallender Giftmüll, konnte man gut in die Dritte Welt outsourcen.

Doch so nach und nach scheinen uns diese Verfehlungen wieder einzuholen: Längst sind Lohndumping und unwürdige Arbeitsbedingungen auch ein Thema in den westlichen Industrienationen, folgerichtig scheint die Zahl derer, die nicht mehr an den Segnungen des Kapitalismus teilhaben können (z. B. Arbeitslose oder Geringverdiener), stetig zu wachsen. Und während viele Menschen in Deutschland für ihre Arbeit so schlecht bezahlt werden, dass der Staat einspringen und ihr Gehalt "aufstocken" muss, besassen im Jahr 2007 5% der deutschen Bevölkerung 46% des Gesamtvermögens.
Die Finanzkrise war es letztendlich, die vielen Menschen erstmals klar gemacht hat, das nicht alles Gold ist was glänzt. Die von der Realwirtschaft abgekoppelten Finanzmärkte haben 2007 eine weltweite Banken- und Finanzkrise ausgelöst, deren Folgen bis heute spürbar sind. Die Rechnung haben aber nicht die Verantwortlichen, sondern die Steuerzahler in aller Welt gezahlt. Die Erkenntnis das z. B. Banken die Gewinne von hochriskanten Finanzspekulationen einstreichen, die Verluste aber auf den Steuerzahler abwälzen können ("Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren"), hat vielen Menschen die Augen geöffnet und sie auf die Straße getrieben.
Trotzdem wurde nicht nur darauf verzichtet Verantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen, die Finanzmärkte zu regulieren und Großbanken (die wie wir, der krise sei Dank, wissen too big to fail sind) zu zerschlagen - nein, wer gegen die Macht des Kapitals aufbegehrt, lebt geradezu gefährlich! Wer z. B. im Rahmen der Occupy-Bewegung von seinem Recht auf Protest und Meinungsäußerung Gebrauch machte, der konnte mit Polizeiknüppeln und Tränengas rechnen, egal ob in New York (hier und hier) oder in Frankfurt. Tatsächlich hat der harte Polizeieinsatz in Frankfurt sogar die OSZE alarmiert: Blockupy-Demonstration: OSZE besorgt über deutsche Polizei - Politik - Süddeutsche.de
Doch Polizeiknüppel, Wasserwerfer & Tränengas sind nur ein Mittel für die Massen, wer in Deutschland konkrete Anschuldigungen gegen Banken vorbringt, der verschwindet auch schon einmal für Jahre in der Psychiatrie - wie der erschreckende Fall Mollath zeigt.

Vor diesem Hintergrund stellt das TdW daher die Frage: Frisst der Kapitalismus seine Kinder?

Mehr zum Thema:
https://de.wikipedia.org/wiki/Kasino-Kapitalismus
https://de.wikipedia.org/wiki/Vermögensverteilung_in_Deutschland
Arbeitsbedingungen: Amazon im Ausnahmezustand - Wirtschaft - FAZ
Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren: Wie wir lernten, die Banken zu hassen - Wirtschaftspolitik - FAZ
Fall Mollath - Vorwürfe gegen bayerische Justiz - Süddeutsche.de (so etwas wie eine Chronik des Drama Mollath)
 
Zuletzt bearbeitet:
Interessante Theorie.
Ich bin durchaus der Meinung, dass der Kapitalismus einige schwerwiegende Probleme mit sich zieht, allerdings finde ich auch, dass der Kapitalismus am besten die menschliche Natur wiederspiegelt, also nach dem Motto "Friss oder Stirb". Nahezu jeder stellt sein eigenes Wohl in den Vordergrund. Was zählen da ein paar Tonnen Giftmüll, die im Boden vergraben werden, um Entsorgungskosten zu sparen oder ein paar tausend Arbeitslose, wenn es darum geht, seine eigene Existenz so gut wie möglich zu sichern?
Warum erfinden wir dann nicht einfach etwas Besseres?
Das Problem bei der ganzen Sache ist, dass es mittlerweile so viele Menschen gibt, die es unmöglich machen, ein System zu finden, das alle zufrieden stellt.
In der Vergangenheit wurden bereits sehr viele Lösungsansätze gesucht (bspw. der Kommunismus), aber wie die Realität gezeigt hat, wiesen auch diese Systeme einige Fehler auf (natürlich nicht ausschließlich).
Ich bin der Meinung, dass auch weitere Ideen viel zu utopisch sind, um funktionieren zu können. Wahrscheinlich wird das Pulverfass, auf dem wir sitzen, in absehbarer Zeit explodieren und die Selbstregulierung setzt ein.
Was dabei herauskommt, kann keiner vorhersagen.
 
Interessante Theorie.
Ich bin durchaus der Meinung, dass der Kapitalismus einige schwerwiegende Probleme mit sich zieht, allerdings finde ich auch, dass der Kapitalismus am besten die menschliche Natur wiederspiegelt, also nach dem Motto "Friss oder Stirb". Nahezu jeder stellt sein eigenes Wohl in den Vordergrund.

Grundsätzlich wäre der Mensch ein Rudeltier der in Regel in der Gruppe lebt. Diese "Friss-oder-Stirb"-Mentalität würde ich dementsprechend nicht als menschlich bezeichnen sonder eher als gesellschaftliche Entwicklung.
Dass sich das nette Pulverfass in der nächsten Zeit mal von selber entzünden könnte, da bin ich voll bei dir. Nur bin ich mir nicht so sicher ob bei einer Selbstregulierung erstens einmal etwas heraus kommt, was wirklich besser ist, und zweitens, ob ich die Selbstregulierung überlebe. Vielleicht reguliert auch einfach mal wieder die Natur selber und entledigt sich dieser lästigen Parasiten?
Aber um zum Thema zurückzukommen: Ich wäre voll und ganz für etwas in der Richtung von Kommunismus, mit nur einer klitze kleinen Änderung: Es sollte funktionieren :D.

mfg benediktibk
 
Habe unlängst das erste mal vom Konzept der Resource-Based Economy gehört und fand das recht spannend, zumal es endlich mal eine greifbare Alternative zu den paar gängigen sozio-ökonomischen Konzepten bietet.

Resource Based Economy

Freilich ist -wie immer- die Übergangsfrage ziemlich ungeklärt, aber ich denke das ist natürlich so. Man stelle sich vor wir lebten in einer völlig anderen Zivilisation und jemand wollte den Kapitalismus einführen, da würden wohl auch alle "Utopie" und "Wahn" schreien.

Bis dahin bleibt zu hoffen dass sie (also die da oben) uns wenigstens mit dem bedingungslosen Grundeinkommen für ein paar Jahre ruhig stellen, dann ist's auch nicht mehr sooo schlimm wenn noch der letzte Arbeitsplatz nach China oder an eine Maschine wandert.
 
Schoenes Thema ;)

Ich finde, der ungesteuerte Kapitalismus in seiner jetzigen Form frisst seine Kinder. Und er frisst seine Kinder erstmal in den Ländern, die für unseren Lebensstil bluten.

Die Argumentation *für* den Kapitalismus kommt aus der "freien Marktwirtschaft", was sehr viel wohlwollender klingt. Aber eigentlich bedeutet frei in diesem Sinne nicht eine politische Freiheit (die auch Schutz und Sicherheit beinhaltet), sondern eher Anarchie unter Kapitalisten (im Sinne frei von Regulierung). Und wenn es dann um Alternativen geht, so bekommt man dann die soziale Marktwirtschaft auf den Tisch, angereichert mit den schlechtesten Umsetzungen, die man erlebt hat (siehe Getreidewirtschaft des Sowjets). Insbesondere lässt sich unser Finanzsystem nicht davon entkoppeln, da wohl ganze Märkte nur dadurch leben können, bzw, der Handel dadurch erst lukrativ wird.


Und selbst in der Schule lernt man diesen Schwachsinn und dort wird einem doch Grundsätzlich folgendes zur Wahl gestellt:
- Wollt ihr freien Zugang zu Gütern und die Möglichkeit frei Geschäfte zu tätigen?
- oder wollt ihr die totale Kontrolle, Frankfurter Formfleischschnitzel und Einheitskleidung????

Was wir nicht lernen ist eben, dass auch die _namentlich_ schlechten Systeme inhaltlich nicht immer nur schlecht sind. Zum Beispiel kann sich der überwiegende Teil der Staaten am Bildungssystem der Cubaner eine Scheibe abschneiden. Oder am Gesundheitssystem der Holländer - oder an der Entscheidung mancher Staaten keine Armee haben zu wollen. Selbst die Betrachtungen des Islam (Judentum und Christentum übrigens auch) zum Thema Zins ist sehr viel "vernünftiger" als die jedes Bankers. Und auch das Königreich Bhutan ist eine Fundgrube an Innovation, wenn es um die Verquickung von Ökologie, Ökonomie, Politik und Gerechtigkeit geht.

Es ist falsch, dass der Kapitalismus in seiner jetzigen Form (inkl. Finanzsystem) Alternativlos sei. Es gibt eine Fülle von Modellen, die überall auf der Welt funktionieren - manche besser, manche schlechter.

Jedenfalls bin ich der unpopulären Meinung, dass der Erhalt der Lebensgrundlage die höchste Priorität geniessen sollte. Lieber weniger Demokratie - dafür nachhaltigere Wirtschaft mit starken ethischen Einflüssen. Die meisten Leute wissen mit ihrer Freiheit ohnehin nicht mehr anzufangen als freie Senderwahl und freie Wahl des Pauschalurlaubs (Achtung: Das ist absichtlich überspitzt und ich werde keine Gehaltszahlungen des Verfassungsschutzes akzeptieren).

Ich bin durchaus der Meinung, dass der Kapitalismus einige schwerwiegende Probleme mit sich zieht, allerdings finde ich auch, dass der Kapitalismus am besten die menschliche Natur wiederspiegelt, also nach dem Motto "Friss oder Stirb". Nahezu jeder stellt sein eigenes Wohl in den Vordergrund. Was zählen da ein paar Tonnen Giftmüll, die im Boden vergraben werden, um Entsorgungskosten zu sparen oder ein paar tausend Arbeitslose, wenn es darum geht, seine eigene Existenz so gut wie möglich zu sichern?

Das uns diese Tatsache eingeredet wird ist ein Problem. Die "Natur" des Menschen unterscheidet sich vielerorts. Es ist in vielen Kulturen- oder Religionen schon sehr von Belang wie es der Familie oder dem Nachbarn geht. Und es herrscht eine nichtmal erwähnenswerte Übereinkunft darüber, das es ziemlich ungeil und dumm ist, irgendwelchen Giftmüll in das eigene Trinkwasser zu kippen (eine Mode, die dem aufgeklärten und viel "fortschrittlicherem" zivilisierten Menschen zu eigen ist). Di

ese von dir angeführte Natur ist ganz gewiss latent bei uns allen vorhanden. Und Konkurrenz in Maszen(!) hat noch nie geschadet. Doch wird und wurde diese Natur hochgezüchtet und profitieren tut davon ein sehr geringer Teil. Unsere Gier mehrt deren Bankkonten.

Jedenfalls "brauchen" wir weder ein solches Markt- noch Finanzsystem. Es ist genau anders herum. Das System und seine Akteure brauchen UNS und unsere Dummheit, damit sich das Rad schön weiter dreht. Wundert sich denn keiner mehr darüber dass kein Kind mehr etwas über Lebenskonzepte lernt, sondern nur Wissen, was auch praktisch (beruflich) verwertbar ist?

Warum erfinden wir dann nicht einfach etwas Besseres?
Tja. Und da sind wir wohl wirklich die reinsten Herdentiere (nicht Rudeltier, denn im Rudel ist man individueller) und vielleicht ist das eine Frage die man wirklich nur durch Besinnlichkeit und Paradigmenwechsel geknackt bekommt.
 
Ich finde, der ungesteuerte Kapitalismus in seiner jetzigen Form frisst seine Kinder. Und er frisst seine Kinder erstmal in den Ländern, die für unseren Lebensstil bluten.

Kannst du das konkretisieren z.B. an Indien? Die Liberalisierung Indiens hat Indien doch nicht bluten lassen?

1991 war Indien ein Entwicklungsland, nach den Marktreformen für das böse kapitalistische Raubtier hat es sich zum Schwellenland hochgearbeitet und heute träumen die Inder davon bald eine Großmacht zu sein.

Diese Nachricht aus UK passt nämlich auch erschreckend gut: David Cameron: Britain can bring jobs back from abroad

He also said it was important to appreciate why this is happening – noting that costs are rising in Asia, with senior management salaries in China now at or above those in the US and Europe, and that Western companies want to benefit from being nearer to the consumer markets they serve to aid customisation and privatisation.

In den Kommentaren fühlen sich die Briten jetzt auf Augenhöhe mit einem Entwicklungsland. :D

Was können wir dafür, wenn UK seine Industrie auflöst und so stark auf ihren Finanzplatz London vertrauen? Deutschland steht industriemäßig gut da, Cameron spricht sich sogar schon für einen "more Germanic approach" aus.

Wenn die armen Länder sich dem Kapitalismus öffnen, werden sie nach und nach durch Investitionen reicher.
 
Ich habe kein Wort über Indien verloren.

Und wenn schon - das Prinzip bleibt. Dafür, dass Du etwas billig konsumieren kannst, lebt irgendwo auf der Welt jemand genau deswegen in schlechten Verhältnissen. Und das notwendigerweise in einem Land, wo die Lebensgestaltung nicht so freizügig vollzogen werden kann, wie hier.


Was können wir dafür, wenn UK seine Industrie auflöst und so stark auf ihren Finanzplatz London vertrauen?
Unsere Inselnachbarn hatten seit je her ein faible für Geldgeschäfte. Diese Vorliebe ist schon ein paar hundert Jahre alt.

Wenn die armen Länder sich dem Kapitalismus öffnen, werden sie nach und nach durch Investitionen reicher.
An dieser Stelle fühlt sich der Kapitalismus sehr geschmeichelt - immer wenn die Rede von Ländern und Völkern ist, klingt das sehr idyllisch. Das Volk als Einheit und Wohlstand für alle..is klar. Unser westlicher Kapitalismus, sofern er sich auf die armen Länder ausbreitet, ist getrieben von wenigen Akteuren (Kapitalisten), die entweder dort vorhandene natürliche Ressourcen ausbeuten oder die Menschen (oder idealerweise beides).

Don't get me wrong: Ich verüble niemandem, der in solchen Ländern ein Geschäft machen will und ich verstehe, dass man auf dem Weltmarkt eben den niedrigen Preis machen muss. Und durchaus verbessert es die Lebenssituation hier und da - wo jemand dann seine 20 Cent pro Stunde bekommt.

Das strukturelle Problem ist aber eben genau das. Der freie Markt kennt keine Grenzen, weder nach oben oder nach unten. Und in diesem - unseren kapitalistischen Modell - ist es wichtig, dass irgendwo Leute am Existenzminimum herumkrepeln und man tut alles dafür, dass es genau so bleibt. Und da werde ich ein großer Freund von Marktregulierung, denn ich glaube nicht, dass unser gewohntes Konsumbild und Freiheitsverständnis wichtiger ist, als die Möglichkeit der Menschen in anderen Ländern ihre Leben für einen angemessenen Preis zu verkaufen (aka arbeiten).
 
Ich habe kein Wort über Indien verloren.

Und wenn schon - das Prinzip bleibt. Dafür, dass Du etwas billig konsumieren kannst, lebt irgendwo auf der Welt jemand genau deswegen in schlechten Verhältnissen. Und das notwendigerweise in einem Land, wo die Lebensgestaltung nicht so freizügig vollzogen werden kann, wie hier.

Die schlechten Verhältnisse waren vorher schon da und der Kapitalismus ist nun die Chance, um aus der Armut rauszukommen. Ich habe das Beispiel Indien genannt, weil man seine Hypothesen dann direkt testen kann.

In Indien hat sich eine gutverdienende Mittelschicht von 250 Millionen Menschen gebildet: ist die Lebensgestaltung für die vorher klammarmen Inder nun freizügiger geworden? Ich würde eindeutig nach "Ja" tendieren, weil sie sich mit "ihrem kapitalistischem Geld" nun ihr eigenes Leben leisten können.



Unser westlicher Kapitalismus, sofern er sich auf die armen Länder ausbreitet, ist getrieben von wenigen Akteuren (Kapitalisten), die entweder dort vorhandene natürliche Ressourcen ausbeuten oder die Menschen (oder idealerweise beides).

Wenn sich ein Land tief unter Nachhaltigkeit ausbeuten lässt, dann ist es nicht Herr seiner selbst und es würde auch von jedem anderen System ausgebeutet werden, welches seine Ressourcen braucht.

Als die Kapitalisten 1991 nach Indien gingen, hättest du da auch von Ausbeutung der Menschen gesprochen? Durch diese Ausbeutung stehen sie heute besser da als vorher.

Das strukturelle Problem ist aber eben genau das. Der freie Markt kennt keine Grenzen, weder nach oben oder nach unten. Und in diesem - unseren kapitalistischen Modell - ist es wichtig, dass irgendwo Leute am Existenzminimum herumkrepeln und man tut alles dafür, dass es genau so bleibt.

Angenommen alle erfolgreichen Industrienationen schaffen von heute auf morgen die "Ausbeutung" der Schwellen- und Entwicklungländer ab. Totale Autarkie innerhalb z.B. USA, Europa und Australien. Was gedenkst du passiert DANN mit den Leuten, die irgendwo am Existenzminimum herumkrempeln?

Was tut man z.B. in Indien, damit die Inder am Existenzminimum bleiben? Die Kapitalisten können nur damit drohen in noch ärmere Länder produzieren zu lassen. Doch irgendwann gibt es keine ärmeren Länder mehr, weil der Kapitalismus in jedes Land investiert hat (wahrscheinlich Wunschtraum oder so...).


Und da werde ich ein großer Freund von Marktregulierung, denn ich glaube nicht, dass unser gewohntes Konsumbild und Freiheitsverständnis wichtiger ist, als die Möglichkeit der Menschen in anderen Ländern ihre Leben für einen angemessenen Preis zu verkaufen (aka arbeiten).

Ich verstehe nicht, wer wie wo was regulieren sollte, damit es den Ärmsten in den ärmsten Ländern besser gehen könnte. Wer soll diese Leute bezahlen und für welche Arbeit?
 
Das hat dazu geführt, dass Deutschland ein sehr reiches Land geworden ist
Ja, Deutschland und andere entwickelte Staaten sind reich geworden. Nur der Punkt ist eben: Warum? Gleichzeitig beuten wir andere Staaten massiv aus bzw. führen Kriege in deren Ländern, nur damit das Öl schön billig bleibt. Und wir dafür reich leben können.

...und dadurch die Möglichkeit hat selbst den "Verlierern" des Systems ein Leben abseits des Hungertods zu ermöglichen
Dafür sorgt allerdings nicht der Kapitalismus, sondern der Staat, weil der muss die Hungerlöhne aufstocken. Das ist mal wieder eine typische Situation für "der Markt reguliert sich ja eh selber, da braucht der Staat nicht eingreifen" aber "für Kosten aufkommen soll schon der Staat".
Ist übrigens ein gängiges Prinzip inzwischen, solange alles gut läuft sind wir schön liberal, sobald dann was schief läuft muss allerdings Keynes herhalten. Versteht mich nicht falsch, ich halte die Ideen von Keynes nicht verkehrt, nur muss man das dann auch durchziehen über einen ganzen bzw. mehrere Zyklen.

Wenn sich ein Land tief unter Nachhaltigkeit ausbeuten lässt, dann ist es nicht Herr seiner selbst und es würde auch von jedem anderen System ausgebeutet werden, welches seine Ressourcen braucht.
Kennst du das Hauptwerkzeug der kaptialistischen Staaten zur Ausbeutung von dritte Welt Ländern? Nennt sich IWF. Der zwingt dann die Staaten dazu ihre Einfuhrbeschränkungen und ähnliches aufzuheben, damit wir mit unseren Billigprodukten deren Märkte überschwemmen können, genauso wie er regelmäßg fordert die nationalen Märkte und insbesondere Ressourcen für ausländische Firmen zu öffnen. Mit welchem Ziel? Damit wir sie ausbeuten können, die Ressourcen wandern dann für einen Bruchteil des eigentlichen Wertes auf dem Weltmarkt aus dem Land heraus und dem Staat selber bleibt kaum was davon übrig.

Weil du Indien erwähnt hast: Indien ist ein ganz gutes Beispiel für ein Land, welches in der Lage war sich einigermaßen gegen die Ausbeutung zu währen. Ein nettes Beispiel dafür war der Patenstreit für gewisse Medikamente, bei denen die Inder im Prinzip gesagt haben: "Verkauft ihr es uns nicht zu einem anständigen Preis produzieren wir es einfach selber". Indien kann sich solche Späße allerdings nur aus einigen besonderen Umstände heraus leisten: Sie sind groß (stellen einen großen Teil der Weltbevölkerung dar) und sind eine Atommacht. Viele andere, kleinere Staaten, haben allerdings nicht diese Möglichkeiten und wenden sich in ihrer Not an den IWF. Und zu genau dem Zeitpunkt reiben sich dann wieder ein paar Leute die Hände.

mfg benediktibk
 
Die schlechten Verhältnisse waren vorher schon da und der Kapitalismus ist nun die Chance, um aus der Armut rauszukommen. Ich habe das Beispiel Indien genannt, weil man seine Hypothesen dann direkt testen kann.

Ich bin zwar kein Experte für Indien, aber ich glaube die Inder haben noch sehr viele andere Aspekte innerhalb ihrer Kultur, die Armut lange Zeit in bestimmten Schichten "garantiert" hat (Gleichberechtigung, Kastensystem...). Ob der Kapitalismus dort langfristig irgendwas verbessert kann man zumindest jetzt nicht sagen. Im übrigen würde ich Verbesserung nicht auf mehr-geld-im-beutel reduzieren, denn das System krankt noch immer an vielen Stellen (auch ein schoener Test: Agrarwesen in Indien, Saatgutmafia und beschissene Infrastruktur, sodass MIllionen Tonnen Lebensmittel irgendwo wegkommen und vergammeln).


Wenn sich ein Land tief unter Nachhaltigkeit ausbeuten lässt, dann ist es nicht Herr seiner selbst und es würde auch von jedem anderen System ausgebeutet werden, welches seine Ressourcen braucht.
So könnte man argumentieren, wenn das betroffene Land ein "mündiges" Mitglied der kapitalistischen Gesellschaft ist. Es gibt eine Menge Länder das nicht sind und extrem korrumpierbar sind und das Landvolk so gut wie keine Lobby hat. Und an diesem Umstand wollen viele westliche Unternehmen auch nichts ändern.

Angenommen alle erfolgreichen Industrienationen schaffen von heute auf morgen die "Ausbeutung" der Schwellen- und Entwicklungländer ab. Totale Autarkie innerhalb z.B. USA, Europa und Australien. Was gedenkst du passiert DANN mit den Leuten, die irgendwo am Existenzminimum herumkrempeln?

Du siehst es zu krass. Eine Ausbeutung lässt sich sicher nicht verhindern. Selbst in Europa gibt es Arbeitskräfte die kaum zu etwas zu gebrauchen sind und die zwangsweise in billig-Jobs abgleiten. Das ist bedauerlich aber auch ein Stück weit das Ergebnis beschissener (Bildungs)Politik und Fernsehkonsum.

Ich habe niemals gegen Handel gesprochen und das wäre auch absurd.
Beispielsweise könnte man für bestimmte Bereiche Preise festlegen. Etwa für Grundnahrungsmittel und Luxusgüter. Ebenso kann man was über Zölle machen (ahh..die EU..jaja) oder generell Europaweite Regelungen. Es gäbe eine Vielzahl von Möglichkeiten der Regulierung. Und wenn der Druck beim Preiskampf etwas nachlässt, bleibt an der Quelle auch mehr Spielraum.
Der Kapitalismus spricht auch nicht dagegen - es tun nur wieder ein paar seiner mächtigsten Akteure.


Ich verstehe nicht, wer wie wo was regulieren sollte, damit es den Ärmsten in den ärmsten Ländern besser gehen könnte. Wer soll diese Leute bezahlen und für welche Arbeit?
Da in denen von dir - so genannten - erfolgreichen Industriestaaten der Beamtenapparat idR. stark überbesetzt ist, wäre das mal eine gute Gelegenheit diesen Menschen eine nützliche Arbeit zu geben...
 
Nein der Kapitalismus frisst seine Kinder nicht, er kaut eine Weile auf ihnen herum
und spukt sie dann wieder aus, um sich ein paar neue zu nehmen.
Den "wirtschaftlichen Erfolg" der Schwellenländer bezahlen genauso Andere wie
unser Lebensstandard nur auf Kosten Anderer möglich ist. Seit beginn der
Globalisierung haben wir übrigens keine freie Marktwirtschaft mehr. Durch die
unterschiedlichen Sozial-, Umweltschutz-, Arbeitsschutz-, Energiekosten.....
haben wir eben nicht mehr die Situation, dass vergleichbare Produktionsbedingungen
herrschen.
Dies bedeutet in letzter Konsequenz das den Aufstieg von China, Indien... die
Industrienationen erst mal mit einem fallenden Lebensstandard bezahlen und bezahlen
werden, solange dieser nicht überwiegend, wie momentan, durch Umweltzerstörung,
Ressourcenverschwendung und Ausbeutung der eigenen Bevölkerung bezahlt wird.
Einige Firmenpleiten der letzten Jahre sind schon diesem Umstand geschuldet.
Vielleicht sind wir in ein paar Jahrzehnten ein Entwicklungsland, wenn der Ausverkauf
unserer geistigen Ressourcen (natürliche besitzen wir nicht im Nennenswerten Umfang)
in dem momentanen Tempo weitergeht.
Sicher wird die westliche Welt sich weiter dagegen wehren in dem sie Konflikte schürt.
Doch wenn man in die Wirtschaft schaut hat sich diese vom nationalen Denken längst
verabschiedet. Die Konzerne wachsen nicht nur sie kaufen auch Innovationstechniken
bereits vor der Marktreife, um eben nicht auf einem freien Markt gegen ein besseres Produkt
antreten zu müssen. Auf den Markt kommt es dadurch erst wenn es höhere Gewinnmargen
verspricht.

Momentan tendiere ich dazu zu befürchten dass wir die Ressourcen unserer Welt zerstört haben
bevor ein ausreichend großer Teil der Weltbevölkerung zur Besinnung kommt.
Ein weiteres Szenario, wofür es durchaus Hinweise gibt, ist dass sich ein Megakonzern bildet
der die Macht an sich reißt und uns eine schöne neue Welt beschert, ob „Großer Bruder“ oder
„Großer Ford“ wird davon abhängen wie viel von unserer Welt noch übrig ist. Aufgrund der
jüngsten Entwicklung sehe ich gute Chancen den Großteil der Bevölkerung mit Drogen, Unterhaltung
und ein bisschen „Luxus“ ruhig zu stellen.
Gerade im Punkt Beruf gegen Kinder bekommen und Kindererziehung haben wir bereits
enorme Fortschritte gemacht, hier ist ja inzwischen auch die Genkontrolle und Manipulation
kein undenkbarer Weg mehr.
Mit der Freigabe von Gleichgültigkeitsdrogen als Lebensmittelzusatz sind wir mit der Freigabe
von Mariahuana dann auch einen bedeutenden Schritt weiter.
Am weitesten sind wir allerdings in der Dauerberieselung mit Unterhaltung, Desinformation
und "alles ist schön Werbung".

Für mich bleibt dann zu hoffen, dass ich es nicht mehr erleben werde, oder diese Ressorts für
Freidenker auch eingerichtet werden.

Gruss
 
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