[TdW 94] Sind die Folgen des Spardiktats für Griechenland tödlich?

Trotz der Ereignisse in der Ukraine, blickt das TdW heute nach Griechenland und beschäftigt sich mit einem öffentlich kaum diskutierten Thema: Welche Folgen haben die drastischen Sparmaßnahmen für das griechische Volk? Ist das von internationalen Geldgebern vorgegebene Spardiktat gar tödlich?
Zu diesem Schluss kommt jedenfalls eine gemeinsame Studie renomierter Universitäten aus Oxford und Cambridge.
Es ist allgemein bekannt das die Auszahlungen der Hilfskredite an stikte Auflagen und Vorgaben gebunden waren. Laut der Studie war eine der Vorgaben das die Gesundheitsausgaben 6% der gesamten Wirtschaftsleistung nicht überschreiten dürfen.
Um das umzusetzen wurden vorallem Vorsorgeprogramme gestrichen - zum Beispiel die kostenfreie Verteilung von Spritzen & Kondomen unter Drogenabhängigen. Die Folge: Die Zahl der HIV Neuinfektionen hat sich von 15 im Jahr 2009 auf 484 im Jahr 2012 erhöht.
Das Budget für Krankenhäuser wurde um 1/4 gekürzt, die Ausgaben für Medikamente sogar um 50%. Ärzte und Krankenhäuser reagierten auf die Kürzungen mit Gebühren. Die Folge: Viele Menschen aus einkommensschwachen Familien können sich medizinische Versorgung nicht mehr oder nur noch in Notfällen leisten. Besonders hart trifft es Arbeitslose, die nach zwei Jahren Arbeitslosigkeit ihre Krankenversicherung verlieren. Die Folge: Etwa 800.000 Griechen haben keinerlei Zugang zur medizinschen Versorgung.
Besonders drastisch hebt die Studie die Folgen für Neugeborene hervor, so ist die Zahl der Säuglinge mit bedenklich niedrigen Gewicht innerhalb von nur zwei Jahren um 19% gestiegen - die Zahl der Totgeburten im gleichen Zeitraum um 20%. Die Säuglingssterblichkeit soll sogar auf 43% gestiegen sein...

In dem Spiegel Online Artikel über diese Studie, fasst Nathalie Simonnot von Ärzte ohne Grenzen die Situation in klare Worte:
"Hier sind Menschen in einem Zustand, wie ich es in meinem Leben noch nicht gesehen habe", sagt Simonnot. Immer mehr Schwangere könnten es sich nicht mehr leisten, ins Krankenhaus zu gehen, und viele Diabetiker müssten sich entscheiden, ob sie sich Insulin kaufen - oder etwas zu essen. Die Organisation spricht von einer vollständigen Verletzung der Menschenrechte in Griechenland.
Quelle: Studie: Sparkurs hat verheerende Folgen für Gesundheit der Griechen - SPIEGEL ONLINE

Die Studie nennt übrigens auch ein Gegenbeispiel: Island hat sich geweigert die Vorgaben des IWF umzusetzen und die Sozial- & Gesundheitsausgaben drastisch zu kürzen. Die Folge: Trotz der Wirtschaftskrise gab es keinerlei erkennbaren Auswirkungen auf die Gesundheit der isländischen Bevölkerung.
Vor diesem Hintergrund: Sind die Folgen des Spardiktats für Griechenland tödlich?
 
Natürlich sind sie tödlich. Hat von der EU-Finanzmafia irgendwer was anderes erwartet? Und das EU-Diktat ist nicht nur für Griechenland tödlich sondern gleichermaßen für die anderen Mittelmeerländer. Island hat gezeigt wie die richtige Lösung aussieht, aber das wurde in unseren Medien erfolgreich totgeschwiegen. Wenn die griechische Regierung weniger geldgierig wäre und seinem Volk dienen würde anstatt Goldman Sachs & Co, würden sie es genau so machen. Sie würden die Banken pleite gehen lassen und das Restvermögen von ihnen an die kleinen Sparer verteilen, so dass die Kernbevölkerung nicht vor die Hunde geht. Stattdessen lässt man sich mit Schuldzuweisungen ala "Ihr seid selbst Schuld. Ihr habt euch in den Euro-Raum geschummelt." unterdrücken und kuscht, wenn die EZB auch nur den kleinsten Mucks von sich gibt.

Über die ständigen Demos in Griechenland schweigen die Medien genauso wie über die Lage der dortigen Bevölkerung, stattdessen wird ein gewaltsamer Staatsstreich in der Ukraine als Befreiung von einem Diktator gefeiert. Wenn die Griechen also was erreichen wollen, müssen sie offenbar zur Gewalt greifen. Anders werden sie sich aus der EU-Diktatur nicht mehr befreien können. Und vielleicht bekommen sie dann die Aufmerksamkeit, die sie eigentlich in unseren Medien brauchen, damit auch der Rest Europas mitbekommt, was wirklich in Südeuropa abgeht.

Man kann den Griechen einen baldigen Austritt aus dem Euro oder gar aus der EU nur wünschen. Solange dies nicht geschieht, wird das Land immer weiter in den Abgrund wandern, bis dort radikale Kräfte die Macht ergreifen und man wieder mit den Fingern auf sie zeigt "Schaut, die bösen Griechen, jetzt putschen sie sogar ihre demokratisch gewählte Regierung weg." Das spült dann wiederum weiteres Geld in die Kassen der EU, denn schliesslich werden die Waffen dafür mal wieder aus Deutschland kommen, der erfolgreichsten Export-Nation der EU, die auch einen Grossteil dieses Unterdrückungsinstruments finanziert.

Es ist an der Zeit, dass alle, denen Europa wichtig ist, nicht mit dem Finger nach Griechenland, Spanien oder Portugal zeigen, sondern nach Brüssel, wo die wahren Verbrecher sitzen, die sich auf Kosten ganzer Völker bereichern.

Wieder einmal kann ich nur wiederholen: Die EU wird der Untergang Europas sein und nicht seine Erlösung. Und vielleicht versteht der ein oder andere ja jetzt langsam, warum ich die EU schon seit Jahren als "das Politik gewordene Böse" betrachte und davor warne. Wir als Europäer sind gefragt diese Mißstände zu beseitigen und das geht gewiss nicht mit der derzeitigen EU und seiner Regierung sondern nur gegen sie. Wir Völker müssen uns zusammen tun und dieses Böse bekämpfen. Sonst machen wir uns mitschuldig an den Verbrechen, die man gerade am griechischen Volk verübt. Was dort abläuft ist ein Genozid! Anders kann man dies nicht bezeichnen.
 
Man kann den Griechen einen baldigen Austritt aus dem Euro oder gar aus der EU nur wünschen.

Ich bin mir nicht sicher, ob das die Situation so sehr verbessern würde. Damit wäre Griechenland praktisch ungeschützt gegenüber den Finanzmärkten, die alles pfänden würden, was ihnen in die Finger kommen würde (siehe z.B. hier), um die Schulden der Griechen zu begleichen. Wollen wir das wirklich riskieren?
 
Ich muss sagen ich sehe das ähnlich wie SchwarzeBeere: Ein Austritt (oder ein Rauswurf) Griechenlands aus dem Euro oder der EU dürfte die Not des Landes nur verschlimmern.
Einer der Gründe warum eine Organisation wie die EU überhaupt gegründet wurde, war ja die Wirschaftsleistung mehrerer Staaten zusammen in die Waagschale zu werfen. Kaum ein europäischer Staat ist für sich genommen eine ernstzunehmende Wirtschaftsmacht, doch gemäß dem Grundsatz gemeinsam sind wir stark ist die EU - also der Zusammenschluss europäischer Staaten - eine der größten Wirtschaftsmächte überhaupt (afaik direkt hinter den USA). Dominiert wird die Weltwirtschaft von Superstaaten wie den USA oder China, die schon allein aufgrund der Größe ihrer Volkswirtschaften echte Schwergewichte sind. Weitere Riesenstaaten wie Indien oder Brasilien sind schon auf dem Sprung. Um von solchen wirtschaftlichen Schwergewichten nicht einfach an die Wand gedrückt zu werden, haben sich europäische Staaten dazu entschlossen sich zusammenzuschließen und eine Union zu bilden. Die Idee dahinter ist einleuchtend und, meiner Meinung nach, auch gut und richtig. Allerdings gibt es bei der Umsetzung einige Denk- oder Geburtsfehler, die dringend korrigiert werden müssen.
Wenn man Griechenland (das ohne Zweifel derzeit leidet) aus diesem Verbund herauslöst, dann überlässt man eine geschwächtes Land den Wölfen. Ich finde diese Metapher aus der Biologie drängt sich hier geradezu auf, denn wann immer Raubtiere es auf Beutetiere abgesehen haben, die sich zum eigenen Schutz zu einer Herde zusammengeschlossen haben, versuchen die Räuber ein schwaches Tier von der Herde zu trennen...
Auf sich allein gestellt dürfte es Griechenland extrem schwer fallen sich an den Finanzmärkten "frisches" Geld zu beschaffen. Als direkte Folge wäre man noch mehr als jetzt auf Investoren angewiesen und deren Launen weitgehend ausgeliefert. Schon jetzt leidet die Bevolkerung unter den Folgen des Spardiktats - möchte sich jemand ausmalen wie die Folgen für die Griechen wären, wenn private Hedgefonds die Troika aus EU, EZB und IWF ablösen würden?
Übrigens scheinen auch die Griechen selbst das so zu sehen, denn z. B. in der von bitmuncher verlinkten Doku wird ausdrücklich gesagt das sich nicht einer der Griechen mit denen gesprochen wurde eine Rückkehr zur Drachme wünscht.

Angesichts der Not des Volkes, muss man sich jedoch fragen wie man den Menschen besser helfen kann. Immer neue Rettungspakete nützen gar nichts, wenn die Gelder vor allem die tiefen Taschen von korrupten Politikern füllen oder für fette Boni bei beteiligten Bankern sorgen. Man sollte die Geldflüsse sehr genau verfolgen, die Auswirkungen analysieren und entsprechende Maßnahmen ergreifen. Wenn sich Geldspritzen irgendwo als nutzlos erweisen, muss man überlegen wie die Gelder sinnvoller eingesetzt werden können. Wenn Geld versickert, müssen die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden...

Nachtrag:
Besonders wichtig ist es meiner Meinung nach, dass man sich stets vergegenwärtigt das es nicht nur um abstrakte Zahlenspiele, sondern um menschliche Schicksale geht. Auf dem Papier mag eine Auflage wie nicht mehr 6% des Wirtschaftsleistung für Gesundheit & Soziales auszugeben, sinnvoll und harmlos aussehen - in der Realität kostet sie Menschen die Gesundheit oder gar das Leben.
Das sollte man immer im Hinterkopf behalten, wenn populistische Politiker immer drastischere Sparmaßnahmen fordern oder Vertreter der Finanzwirtschaft eindringlich vor einem Schuldenschnitt warnen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das "gemeinsam sind wir stark" gilt aber nur für den Export/Import-Markt also beim globalen Handel, nicht aber für die Binnenmärkte. Europa als Wirtschaftsunion hat super funktioniert bis zu dem Zeitpunkt als der Euro als Binnenwährung aufgezwungen wurde. Tatsache ist aber, dass die Binnenmärkte der meisten Euro-Länder nicht stark genug sind um mit einer so hochwertigen Währung umzugehen. Es wäre kein Problem den Euro so wie den ECU zu handhaben und ihn als "virtuelle Währung" beizubehalten. Wird aber weiterhin den Binnenmärkten der Euro aufgezwungen gehen zwangsweise alle schwächeren Wirtschaften vor die Hunde.

Was Griechenland und eigentlich alle europäischen Länder brauchen sind Binnenwährungen, die sich dem Binnenmarkt anpassen können und eine globale Währung wie den ECU, mit der eine starke gemeinsame Währung für den globalen Handel existiert. So wie der Euro momentan ist, wird es jedenfalls nicht funktionieren, da man krampfhaft versucht verschieden starke Binnenmärkte und Verwaltungszonen verschiedenster politischer Ausrichtung mit einer einzigen Währung zu handhaben.
 
OK, hab zwar keine Zeit, aber da möchte ich doch meine Meinung auch dazu
loswerden.
Es bestand nie die Absicht das griechische Volk vor den Folgen ihres zu einem
guten Teil selbstverschuldeten wirtschaftlichen Bankrotts zu retten. Von Anfang
an war klar, dass hier lediglich das momentane Wirtschafts- und vorallem Finanzsystem
gerettet werden sollte. Wobei gerettet der falsche Ausdruck ist, korrekter
dürfte sein den Zusammenbruch noch ein bisschen hinaus zu zögern. Ob in der
Hoffnung vielleicht etwas Neues einzuführen oder um Wenigen zu ermöglichen
ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen überlasse ich eurer Phantasie.

Ich für meinen Teil habe wenig Hoffnung darauf, dass sich etwas zum Guten wendet,
indem zum Beispiel die Banken reguliert, Spekulationen eingedämmt oder man gar Abgaben
für Maschinenarbeitszeit einführt um zum Einen die menschliche Arbeitskraft wieder
konkurrenzfähig zumachen und zum Anderen die Sozialkassen zu entlasten.
Eigentlich wäre es einfach hätte man nicht diesen globalen Markt, indem es praktisch
keine Möglichkeit gibt sich auf gemeinsame Regeln zu einigen und seien sie
noch so vernünftig. Im momentanen System zählt nur der kurzfristige Erfolg,
Nachhaltigkeit oder planen für kommende Generationen haben im herrschenden
Wirtschafts- und Finanzsystem keinen Platz.

Hätte die EU Griechenland die Milliarden verweigert wäre das System kollabiert,
die ganze Welt hätte ihren Bankrott erklären können, den das Kapital wäre nichts
mehr Wert, den es steckt zum Grossteil entweder in maroden Staaten und
Unternehmen oder in Spekulationen auf zukünftige Gewinne. Es wäre also deutlich
mehr für die griechische Bevölkerung drin gewesen, aber wie zu Anfang erwähnt
gewollt hat dies niemand von den Entscheidern.

Gruss
 
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