Stolz hatten Zoll und Polizei im August 2011 ihren „größten Kokainfund der letzten 33 Jahre“ präsentiert. Schwerbewaffnete Beamte posierten für die Presse neben knapp 100 Kilo hochreinem Kokain. Der sechsköpfigen Tätergruppe würden bis zu 15 Jahre Haft drohen, sagte Oberstaatsanwalt Michael Stork damals.
Allerdings werden der 52-jährige Namik A. und seine Bekannten wohl verurteilt für eine Tat, die es ohne die Ermittlungsbehörden und einen V-Mann gar nicht gegeben hätte. Der brachte den Hauptbeschuldigten Namik A. überhaupt erst dazu, das „Koks“ nach Deutschland zu schleusen.
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Es könnte passieren, dass das Gericht weit unter dem von der Staatsanwaltschaft geforderten Strafmaß von bis zu sechs Jahren bleibt. Es ließ bereits durchblicken, dass es in dem Verhalten des LKA eine „Tatprovokation“ sieht, die die Grenzen des rechtlich Zulässigen weit überschreitet. „Ich habe von so einem Fall noch nie gehört“, sagt Marcel Kelz. Der 49-Jährige ist Verteidiger von Namik A. „Keiner meiner Kollegen kennt einen vergleichbaren Fall.“
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Namik A. fasste Vertrauen zu dem Mann, der sich Moharem nannte und angeblich aus der selben Stadt in der Türkei kam wie er. Doch Moharem war der Deckname eines V-Mannes, der seine Weisungen von der LKA-Dienststelle 651 erhielt. Sie hatte ihn auf Namik A. angesetzt, um ihm Informationen über seine angeblichen Drogengeschäfte zu entlocken. Die gerichtsfesten Beweise blieben allerdings aus.Doch anstatt das Verfahren einzustellen, machten die Ermittler weiter.
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Moharem entstammt der Szene des organisierten Rauschgifthandels und kassiert für Tipps an die Polizei Honorare. Moharem unterbreitete Namik A. eines Tages die Möglichkeit, in einem Schiffscontainer über Bremerhaven Kokain nach Deutschland zu schmuggeln. Die Verteidigung vermutet, dass Moharem getrieben war von einem sechsstelligen Erfolgshonorar. Denn je größer eine Drogenmenge ist, die mit Hilfe eines V-Manns sichergestellt wird, desto größer ist für diesen mitunter auch das Honorar.
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Die Staatsanwaltschaft sieht zwar eine „einfache Tatprovokation“ aber keine, die gegen Rechtsnormen verstößt. Namik A. sei auch nicht durch die Einwirkung des V-Mannes zur Tat gedrängt worden, weil er ohnehin dazu neigte. „Das war ein tatgeneigter Rauschgift-Großhändler, der im Verdacht stand, mit harten Drogen Handel zu treiben“, sagt Oberstaatsanwalt Michael Stork. „Herkömmliche Ermittlungsmethoden wie Telefonüberwachung und Observation haben da nicht gegriffen.“
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In dem Prozess machten die LKA-Ermittler, die im Auftrag der Staatsanwaltschaft tätig waren, nur widerwillig Aussagen, vieles kam erst spät ans Licht. Nachdem Namik A. in U-Haft kam, stieg Michael Stork zum Hauptabteilungsleiter in der Staatsanwaltschaft auf. An seine Stelle rückte zwischenzeitlich Oberstaatsanwalt Dirk Feuerberg, der fortan für das Verfahren zuständig war. Feuerberg wurde inzwischen von Innensenator Frank Henkel beauftragt, die Rolle des Berliner LKA in der NSU-Affäre aufzuklären. Auch dabei geht es um einen dubiosen V-Mann.