bad_alloc hat gesagt.:
Sind wir nicht schon im Transhumanismus?
Das ist eine gute Frage und ich denke die Antwort hängt vor allem davon ab, wie man
Transhumanismus definiert. Das
Trans deutet ja bereits an, dass eine Grenze überschritten wird - man könnte den Begriff also so definieren, dass jemand der
transhuman ist, die (biologischen) Grenzen des Menschen überwunden hat. Das Beispiel mit dem Kopfhörer finde ich daher nicht wirklich passend (obwohl der Zusatz, so könne man elektrische Signale hörbar machen, durchaus einen Bezug herstellt

).
Dennoch wären, meiner Meinung nach, Hörgeräte oder Brillen bessere Beispiele - beides sind Artefakte, die dazu dienen körperliche Mängel auszugleichen. Noch bessere Beispiele sind Mikroskope, Ferngläser oder Nachtsichtgeräte - denn sie erweitern unsere Sinne auf eine Art, die von der Natur nicht vorgesehen wurde. Die biologischen Grenzen unserer Sinne wurden also durchaus bereits erweitert und überschritten.
Aber dafür gibt es noch weitere Beispiele, so ist es uns durch ein Zusammenspiel aus Wohlstand (im Sinne von keinen Mangel leiden) und guten Lebensbedingungen (Hygiene, Arbeitsschutz, moderne Medizin) gelungen die Lebenserwartung eines Menschen (zumindest für einen Teil der Menscheit) so beträchtlich zu erweitern, dass wir unsere Körper wegen des Verschleißes mit Ersatzteilen und Hilfsmitteln wie künstlichen Hüftgelenken, Knien oder Herzschrittmachern nachrüsten müssen.
Aber es gibt noch mehr Wege, körperliche Grenzen zu überwinden - einen davon zeigen ausgerechnet Schummler auf: Doping. Mit pharmakologischen Substanzen können wir unsere Ausdauer, unsere Kraft oder auch unsere Konzentrationsfähigkeit erhöhen.
Und wenn ich an
Body hacking denke, z. B. an die Journalistin
Quinn Norton, die sich einen Magneten unter die Haut des Ringfingers implantieren ließ und seit dem elektromagnetische Felder wahrnehmen kann, bin ich geneigt zu sagen: Ja, wir sind bereits im Transhumanismus angekommen. Doch ich denke wir sind dabei in etwa so weit gekommen, wie der erste Mensch der einen Faustkeil hergestellt hat, auf dem Weg der Werkzeugsherstellung gekommen ist...
Chromatin hat gesagt.:
Skeptisch macht mich die Aussage "biologischer" Beschränkung. Tatsächlich ist der Mensch ein wunderbares Instrument kraft seiner Gedanken und Emotionen.
Die eigentliche Beschränkung liegt doch im Geiste und dem unvermögen sich selbst zu erklären.
Das sehe ich genau anders: Beschränkt ist unser Körper und dessen Beschränkungen sind biochemisch begründet: Wir können x Minuten ohne Sauerstoff auskommen, x Tage ohne Wasser, x Wochen ohne Nahrung und nach einem Sturz aus x Metern Höhe oder einem Aufprall mit der Geschwindigkeit x sind wir mausetot...
Aber der menschliche Geist, unsere Vorstellungskraft, ist unbegrenzt und in dem wir stets auf die unbeschränkte Macht unseres Geistes vertraut haben und unseren Träumen unbeirrt nachgejagt sind, haben wir uns von Tieren zu computerbauenden, raumfahrenden und atomespaltenden Menschen entwickelt. Wer kann schon sagen wo diese Reise endet? Ganz sicher werden wir dann aber keine Menschen mehr sein - genausowenig wie der moderne Mensch ein
Australopithecus ist. Deswegen gibt es auch noch einen zweiten Begriff, der häufig in einem Atemzug mit Transhumanismus genannt wird:
Posthumanismus.
Aber ich will hier natürlich nicht den Eindruck erwecken als würde uns jetzt eine rosige Zukunft erwarten, in der wir alle Superkräfte haben werden - denn zum einen kann niemand sagen wie lange dieser Prozess dauern wird, zum anderen wird es mannigfaltige Probleme geben. Einerseits ist da natürlich die Tatsache, dass neuartige Entwicklungen oft unerwartete Nebenwirkungen haben (z. B. Krebs durch Röntgenstrahlung) und das ganz sicher nicht jeder die Chance auf eine Optimierung haben wird - sondern vermutlich nur (mal wieder) die Reichen und die Mächtigen...
Vermutlich wird uns das alles noch interessante Zeiten und noch interessantere Probleme bescheren, oder?