Für Merkel kommt es zur Zeit wirklich ganz dicke: Derzeit werben die Kanzlerin und ihre Getreuen ja massiv um Zustimmung der Unions-Abgeordneten für die kürzlich beschlossene Reform des Euro-Rettungsschirms. Die Zustimmung der Unions-Abgeordneten ist deshalb so wichtig, weil die Kanzlerin bei der Abstimmung im September dringend eine Mehrheit im Bundestag braucht - sollte die Koalition keine eigene Mehrheit erringen, wäre das vermutlich das Aus für diese Regierung. Von daher ist es, aus Merkels Sicht, umso ärgerlicher das die kritischen Unions-Abgeordneten mit dem Vorsitzenden des Bundestags-Innenausschusses Wolfgang Bosbach einen überaus prominenten Wortführer bekommen haben. Im Focus sagte Bosbach am Sonntag wörtlich:
Aber auch das ist noch nicht alles - auch Alt-Kanzler Kohl hat sich just mit heftiger Kritik zu Wort gemeldet:
Bei dieser Haltung ist er bis heute geblieben - obwohl er aufgrund seines Neins mit zunehmenden Druck seitens der Parteiführung rechnet. Und den Druck scheint es tatsächlich zu geben, denn heute konnte man von Bosbach folgendes in der FAZ lesen:„Aber wenn sich an den jetzigen Plänen nichts Wesentliches ändert, kann ich nicht zustimmen“
Trotzdem bleibt er hart und begründet seine Nein wie folgt:„Jetzt muss ich mich schon dafür rechtfertigen, dass ich heute noch zu dem stehe, was ich gestern gesagt habe,“ empört sich der CDU-Mann aus dem Rheinland. „Das muss man sich mal vorstellen.“
Als wäre das noch nicht schlimm genug, gerät jetzt auch noch Finanzminister Schäuble in die Defensive, wie die FAZ zu berichten weiß:„Ich bin der festen Überzeugung, dass wir zwar Zeit kaufen und die nächste krisenhafte Entwicklung vielleicht etwas hinauszögern.“ Doch gelöst werde mit dem, was die Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble im Juli mit ihren Kollegen in Brüssel verabredet haben, keines der bestehenden Probleme. „Wir brauchen aber eine dauerhafte Lösung, damit wir nicht in den Abgrund schauen“, warnt Bosbach.
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Auch müssten die privaten Gläubiger(-Banken) an den Verlusten beteiligt werden - schon dass es darüber eine Debatte gibt, hält Bosbach für unbegreiflich. Und schließlich wieder grundsätzlich und politisch: „Wir haben nach und nach ein Versprechen nach dem anderen einkassiert.“
Zusätzliche Unruhe, falls das überhaupt noch möglich ist, brachte dieser Vorstoss von Zensursula in die Debatte:Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) muss sich gegen den Vorwurf verteidigen, er wolle die Ausweitung der Befugnisse des Euro-Rettungsfonds EFSF mit den Partnerländern in der Eurozone am Deutschen Bundestag vorbei vorantreiben. Dieser Vorwurf kursiert in beiden Regierungsfraktionen; allen voran sorgt sich Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) um die Rechte des Parlaments.
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Nach einer Bestimmung im Entwurf des von Schäuble mit dem Vermerk „vertraulich“ versandten Rahmenvertrages soll sich das Direktorium des EFSF selbst Richtlinien geben können, in denen die „Preisbildung, politische Bedingungen, Nutzungsbedingungen und Dokumentation“ der neuen Handlungsinstrumente konkretisiert werden. Darin sehen Kritiker die Gefahr, dass die nationalen Parlamente ihres Rechts, über den Haushalt zu bestimmen, beraubt werden.
Und genau diesen Zeitpunkt - da Merkel nicht nur um Zustimmung für ihr Euro-Krisenmanagement, sondern im Grunde um den Erhalt ihrer Regierung kämpft - suchte sich Bundespräsident Christian Wulff für ungewöhnlich scharfe Kritik am Krisenmanagement aus:Arbeitsministerin Ursula von der Leyen sorgt in der Euro-Debatte für Wirbel. Die CDU-Politikerin will künftige Hilfevergaben aus dem Rettungsfonds durch umfangreiche Sicherheiten des betreffenden Landes garantieren lassen. Dem ARD-Hauptstadtstudio sagte die Ministerin, die auch Vize-Parteivorsitzende der CDU ist, viele dieser Länder verfügten über umfangreiche Goldreserven und Industriebeteiligungen, die sie für solche Besicherungen einsetzen könnten.
Für die Kanzlerin kommt diese Kritik zu absoluten Unzeit - ist sie doch Wasser auf den Mühlen der Euro-Rettungsschirm-Reform-Skeptiker in den eigenen Reihen. Das der Bundespräsident, den Merkel selbst ins Amt gelobt hatte, diese massive Kritik trotzdem genau zu diesem Zeitpunkt bringt, lässt tief blicken.Bundespräsident Christian Wulff hat das Vorgehen von Spitzenpolitikern und Währungshütern in der Euro-Krise in ungewöhnlich scharfer Form kritisiert. Er deutet sogar an, dass dieses illegal sein könnte. "Ich halte den massiven Aufkauf von Anleihen einzelner Staaten durch die Europäische Zentralbank für rechtlich bedenklich", warnte Wulff an diesem Mittwoch in Lindau am Bodensee.
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Wieder verdienten Finanzmarktakteure Provisionen ohne jedes Risiko. Wulff sagte, eines der Grundprinzipien der Marktwirtschaft sei "Risiko und Haftung gehen Hand in Hand". Wer Risiken eingehe, könne auch scheitern. "Dieses Prinzip muss auch für den Finanzsektor gelten, für kleine Anleger wie für große Finanzinstitute."
Aber auch das ist noch nicht alles - auch Alt-Kanzler Kohl hat sich just mit heftiger Kritik zu Wort gemeldet:
Besonders heftig kritisierte er auch die Außenpolitik:Der frühere Bundeskanzler Helmut Kohl ist äußerst besorgt über den Zustand Europas. Am Mittwoch warnte er vor einem Auseinanderbrechen der EU.
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Allerdings seien die Fehler mit Griechenland in der Vergangenheit gemacht worden. Mit ihm als Bundeskanzler hätte Deutschland der Aufnahme Griechenlands in die Euro-Zone "nicht zugestimmt". Auch hätte Deutschland unter seiner Führung "nicht gegen den Euro-Stabilitätspakt" verstoßen, betonte Kohl - und griff damit auch indirekt Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel an.
Ganz nebenbei kritisierte er noch die Abschaffung der Wehrpflicht als Fehler, die deutsche Enthaltung bei der Libyen-Abstimmung war für Kohl jedoch scheinbar, wenn man seine heftige Kritik der deutschen Außenpolitik betrachtet, geradezu ein GAU. Und damit steht er nicht alleine dar, gerade angesichts des vor seinem Ende stehenden NATO-Einsatzes, kocht die Kritik an dieser Enthaltung im allgemeinen und an Außenminister Westerwelle im besonderen hoch - z. B. hier in der FAZ:"Deutschland ist schon seit einigen Jahren keine berechenbare Größe mehr - weder nach innen noch nach außen", sagte Kohl. Er frage sich, "wo Deutschland heute eigentlich steht und wo es hin will", erklärte der CDU-Politiker mit Blick auf die transatlantischen Beziehungen.
Dass US-Präsident Barack Obama bei seinem jüngsten Besuch in Europa Deutschland nicht besucht habe, sei früher unvorstellbar gewesen. "Wir müssen aufpassen, dass wir nicht alles verspielen. Wir müssen dringend zu alter Verlässlichkeit zurückkehren", betonte der ehemalige Bundeskanzler.
Wesentlich heftiger formuliert das die Zeit, unter dem Titel Westerwelle verhöhnt das libysche Volk schreibt sie:Sicher ist, dass ohne das Eingreifen der Nato einen Monat nach dem Beginn der Unruhen im ostlibyschen Benghasi Gaddafi den Aufstand gegen seine mehr als 40 Jahre währende Herrschaft blutig niedergeschlagen hätte.
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Dass die deutsche Diplomatie in diesem Augenblick versagte, aus der westlichen Einheitsfront ausscherte und seine europäischen Partner Britannien und Frankreich mit einer Stimmenthaltung im Stich ließ, wird Folgen haben. Ausgerechnet Deutschland, das stets als Befürworter einer europäischen Verteidigung aufgetreten ist, hat den Ländern, die für dieses Ziel unentbehrliche Verbündete sind, mit vorgeschobenen Argumenten, hauptsächlich aus innenpolitischen Motiven, die Solidarität versagt. Für die sicherheitspolitische Glaubwürdigkeit Berlins ist das ein nachwirkender Schaden. Die Rechtfertigung des Außenministers, man wolle keine Bodentruppen entsenden, war von Beginn an eine Ausrede – das wollten auch Briten und Franzosen nicht, von den Amerikanern zu schweigen; die jetzt zur Schau getragene Freude über den Sieg der Aufständischen wirkt umso peinlicher.
Deutschland hat sich daran gewöhnt, ohne Außenminister auszukommen. Was unbedingt an Außenpolitik nötig ist, erledigen das Kanzleramt und das Verteidigungsministerium. Auch im Ausland hat man sich darin eingerichtet, in Fragen internationaler Politik ohne Deutschland auszukommen.
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Von dieser Erkenntnis ist der Mann weit entfernt, der qua Amt zuständig ist für Deutschlands Außenpolitik. Seit Montag lässt Guido Westerwelle keine Gelegenheit aus, die vermeintlichen deutschen Verdienste am nahen Sieg der libyschen Rebellen hervorzuheben. Zufrieden stellte er fest: "Deutschland hat einen wichtigen Beitrag geleistet." Die Sanktionspolitik der Bundesregierung "war augenscheinlich erfolgreich", verkündete er im Deutschlandfunk – und macht noch einen weiteren Faktor aus, der Libyens Freiheitskämpfern maßgeblich geholfen habe: Deutschland habe "schon früher als viele andere, sich klar gegen das Unrechtsregime von Gadhafi gestellt."
Das ist nicht nur unbeholfen, es ist zynisch. Denn in Wahrheit hat die Bundesregierung dem libyschen Volk nicht nur nicht geholfen, als es von Gadhafis Soldaten aus Panzern und Flugzeugen beschossen wurde. Sondern sie hat ihm damals vor einem halben Jahr auch ziemlich explizit mitgeteilt, wie gleichgültig ihr sein Schicksal ist.