Ich bin zwar eigentlich gerade auf dem Sprung, muß mir aber doch kurz fünf Minuten nehmen, um mal wieder einen kritischen Blick auf unsere Karikatur einer Regierung zu werfen - die sich derzeit wieder besonders dilletantisch gibt:
Natürlich ist es unvermeidlich hier die sogenannte "Teppich-Affäre" von FDP Minister Niebel zu erwähnen, doch zuvor möchte ich ein paar Wochen zurückblicken - erinnert sich noch jemand an die Zeit der Schleckerpleite? Um zu verhindern, dass die etwa 12.000 Mitarbeiterinnen, deren Kündigung besiegelt war, endgültig in Arbeitslosigkeit und Armut abrutschen, plante man parteiübergreifend eine Transfergesellschaft. Letztendlich scheiterte dieses Vorhaben an der FDP - die, auf der verzweifelten Suche nach einem Profil, endlich einmal hart bleiben und "liefern" wollte. Natürlich kann man die FDP verstehen - während es bei den Schlecker-Frauen nur um Lohn & Brot ging, ging es bei der FDP um die politische Existenz. Und, wenn wir ehrlich sind, ist das Gehalt der Schlecker-Mitarbeitern im Vergleich zu FDP Abgeordneten und Ministern vermutlich so bescheiden, dass man da leichter drauf verzichten kann, als auf fette Diäten und Dienstwagen mit Fahrer. Damals beerdigten FDP Politiker, allen voran Parteichef und Wirtschaftsminister Rösler, jedenfalls mit ihrem standhaften
Nein die letzte Hoffnung der Schlecker-Frauen. Sie hatten aber auch gute Argumente warum das nicht zum Schaden der frisch gebackenen Arbeitslosen ging, so erklärte z. B. Rösler das auf die ca. 12.000 Entlassenen etwa 25.000 offene Stellen im Einzehandel warten würden und, mit Hilfe der Arbeitsagenturen, eine schnelle Vermittlung gar kein Problem sei. Gut - er vergaß zu erwähnen, dass neben den Schlecker-Frauen noch etwa 300.000 andere Bewerber für die 25.000 Stellen Schlange stehen - kann ja mal passieren...

Jedenfalls ist die Folge, dass von den entlassenen Schlecker-Frauen (deren Zahl afaik mittlerweile auf etwa 16.000 angewachsen ist), nur etwa 800 (Stand Ostern) eine neue Stelle gefunden haben - und zwar idR eine schlechterbezahle Stelle. Die ARD hat die
Farce von der schnellen Jobvermittlung schön dokumentiert - auch das Rösler sich weigerte dazu Stellung zu nehmen.
Das alles sollte man auf jeden Fall im Hinterkopf haben, wenn man sich dann mit Entwicklungsminister Niebel (FDP) beschäftigt, gegen den die Staatsanwaltschaft gerade wegen eines Anfangsverdachts auf Steuerhinterziehung ermittelt. Bisher war Niebel (der sein Ministerium früher übrigens für überflüssig hielt - bis man ihm den gut dotierten Ministerposten angeboten hat) nur durch Vetternwirtschaft aufgefallen - er hatte in einem solchen Ausmaß Posten für Parteikollegen in seinem Ministerium
geschaffen, dass nach dem Skandal um die Personalie Büssemaker zuletzt sogar
die eigene Parteibasis meuterte. Vielleicht hätte man den Schlecker-Frauen einfach empfehlen sollen in die FDP einzutreten? Der Niebel hätte sicher noch ein paar Posten übergehabt...

Jetzt steht Niebel jedenfalls im Mittelpunkt der sogennanten "Teppich-Affäre", der Minister hat in Afghanisten einen Teppich gekauft, ihn jedoch nicht auf eigene Kosten nach DE transportieren lassen, sondern im Dienstflugzeug des BND Chefs ins Land schmuggeln lassen - schmuggeln, weil Niebel es leider "vergessen" hatte, sich um Nebensächlichkeiten wie eine ordnungsgemäße Verzollung zu kümmern. Erst als der Spiegel darüber berichtete, entschuldigte sich Niebel öffentlich und leitete eine "Nachverzollung" ein. Ganz im Stil von Wulff, hielt er die Angelegenheit dadurch das er -
nachdem man ihn erwischt hatte - nachträglich noch schnell die regulären Maßnahmen eingeleitet und sich öffentlich entschuldigt hat, für erledigt. Leider ließ ihn der Chef des BND aber voll auflaufen - der widerspricht Niebel nämlich in zentralen Punkten und belegt seine Behauptung mit einem zwei seitigen Dossier. Entgegen Niebels Darstellung von einem "privaten Gefallen", teilt BND Präsident Schindler mit, man habe den Einrdruck vermittelt bekommen der Teppich sein ein offizielles Gastgeschenk für den deutschen Minister gewesen und man habe sich ganz korrekt von dessen Ministerium bestätigen lassen, dass dieses sich um alle Einfuhr-Formalitäten kümmern werde. Hier steht also die Aussage des BND Chefs, gegen die Aussage des Entwicklungsministers - einer von beiden lügt...

Diese Affäre hat eine positive und eine negative Seite: Positiv ist das Niebel des Teppich wenigstens selbst bezahlt hat und nicht von einem reichen Gönner geschenkt bekam, negativ ist das der Minister gar kein Problem damit hat, seine Stellung zu missbrauchen um Transportkosten zu sparen und gesetzliche Einfuhrbestimmungen zu umgehen und dann auch noch die Unwahrheit zu sagen. Ok, bei schwarz-gelb scheint Lügen ganz normal zu sein, man denke nur an die Herren Guttenberg (Ich habe zu keiner Zeit bewusst getäuscht), Brüderle (Ich wurde im BDI Protokoll falsch zitiert), Rösler oder Schäuble (je nachdem welcher von beiden damals über den Inhalt ihres Gesprächs gelogen hat) und Friedrich (Ich habe keine Ahnung was der CCC da analysiert hat & Diese Studie ist nicht aus meinem Haus herausgegeben worden). Nun reiht sich also auch Niebel in die Reihe der Regierungsmitglieder mit selektiver Wahrnehmung ein. Die FDP ist eine Partei, die sich gerade in der jüngsten Vergangenheit, gerne hart gegen angebliche "Sozialschmarotzer" die der Gesellschaft auf der Tasche liegen (Westerwelle & spätrömische Dekadenz) gezeigt hat und stets scharfe Sanktionen für kleinste Regelwidrigkeiten bei Hartz4lern gefordert hat. Ich frage mich wie diese Angelegenheit in den Augen der Ex-Schlecker-Mitarbeiterinen, von denen viele bald Hartz4ler sein werden, wirken muss - was denken die wohl von kostenlosen Transporten und "vergessenen" Formalitäten oder Falschangaben? OK - die können sich vermutlich auch keinen Teppich für 1200€ leisten...X(
Wo wir gerade bei Falschangaben sind - im Streit um den Fiskalpakt vermutet die Opposition ein falsches Spiel der Regierung. Um mittels dem, auf europäischer Ebene (im wesentlichen noch von Merkel&Sarkozy) beschlossenen Fiskalpakt, den Euro retten zu können, braucht die Regierung die Opposition - denn da schwarz-gelb seit Amtsantritt alle Landtagswahlen verloren hat, fehlt eine Mehrheit im Bundesrat. Um die Zustimmung des Bundesrats zu bekommen benötigt man also die Zustimmung der Opposition - und die besteht auf der, eigentlich längst versprochenen, Finanztransaktionssteuer. Gegen eine solche Steuer ist aber die FDP, daher waren die Verhandlungen schwierig - nachdem eine Eingung aber zum Greifen nahe war, weckten Äußerungen von Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU) und Finanzminister Schäuble (CDU)
Zweifel an der Aufrichtigkeit der Regierung:
Erst wird eine interne Bemerkung des Kanzleramtschefs Ronald Pofalla ruchbar: In dieser Wahlperiode werde es mit dieser Steuer sowieso nichts mehr, deshalb könne man sie SPD und Grünen ruhig versprechen. Als Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) dann auch noch öffentlich darauf hinwies, dass es in Europa ziemlich lange dauern könne, so eine Steuer einzuführen, vermutlich über den Wahltag 2013 hinaus – da war die Empörung bei SPD und Grünen groß.
Besonders amüsant finde ich in dem Zusammenhang den
Beschwichtigungversuch von Fraktionschef Kauder (CDU):
"Die Opposition weiß ganz genau, dass sie sich auf unser Wort verlassen kann"
Angesichts der langen Parade von Regierungsmitgliedern, die der Lüge überführt wurden, wirklich ein guter Witz...
Und dann ist da natürlich noch das Dauer-Streitthema Betreuungsgeld. Niemand, außer der CSU, will das Betreuungsgeld - die Opposition ist geschlossen dagegen und bezeichnet es abfällig als "Herd-Prämie" oder "Heimchen-Prämie". Auch die FDP ist eigentlich dagegen, ist aber bereit zu schachern und in der CDU sind ebenfalls viele dagegen und machen auch eigentlich keinen großen Hehl daraus. Auch eine Mehrheit der Bundesländer, Sozialverbände, Frauenverbände, die Wirtschaft und sogar die OECD sind gegen das Betreuungsgeld. Umfragen
belegen das auch eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung, nämlich 71% (auch 64% der CDU/CSU Wähler) dagegen sind. Trotzdem wollte schwarz-gelb das ungeliebte Streitthema noch vor der Sommerpause abnicken, damit die quengelige CSU endlich Ruhe gibt. Leider ist schwarz-gelb mal wieder an der eigenen Unfähigkeit gescheitert. Am Freitag war, in Vorbereitung zur Abstimmung, die 1. Lesung im Bundestag geplant. Doch soweit kam es nicht, bei einem zuvor von der Opposition gestellten Abstimmungsantrag kam es zu unklaren Mehrheitsverhältnissen, gemäß der Geschäftsordnung des Bundestages wurde der
Hammelsprung durchgeführt. Das Ergebnis war eindeutig - der Bundestag war gar nicht beschlussfähig, da weniger als die Hälfte der Abgeordneten anwesend war. Die Sitzung wurde abgebrochen, die Lesung fiel aus und die Abstimmung wird nun wohl doch erst nach der Sommerpause stattfinden. CSU Generalsekretär Dobrindt nannte das ganze ein "kleines dreckiges Foulspiel" der Opposition - es dürfte das erste Foulspiel der Geschichte sein, dass in der ordnungsgemäßen Anwendung von Regeln besteht. Sein Amtskollege von der CDU, Hermann Gröhe, sprach von "Arbeitsverweigerung der Opposition" - obwohl mehr als 1/3 der schwarz-gelben Abgeordneten nicht erschienen waren. Auch von "schäbig" und "unparlamentarisch" war die Rede. Lediglich Bundestagspräsident Lammert (CDU) fand mal wieder angemessenere Worte:
"Was da stattgefunden hat, mag man als trickreich oder unangemessen empfinden, aber es ist zweifellos zulässig", sagte der CDU-Politiker den Zeitungen der WAZ-Mediengruppe. Die Koalition müsse sich den Vorwurf gefallen lassen, mit der Ansetzung der Debatte "etwas fahrlässig oder treuherzig" umgegangen zu sein, sagte Lammert. Schließlich habe die Opposition zuvor im Ältestenrat ihre Ablehung des Zeitplans deutlich gemacht.
Quelle:
Eklat im Bundestag - Lammert rüffelt Koalition für Betreuungsgeld-Blamage - Politik - sueddeutsche.de
Jetzt wir der Streit um Betreuungsgeld in die nächste Runde gehen, die FDP hat bereits nach
Korrekturen verlangt und auch die Gegner in der Union können nun neue Kräfte sammeln - und die CSU wird weiter auf den Barrikaden bleiben müssen...
Edit
Und da geht's schon los: Schon am Freitag, noch vor dem Hammelsprung-Debakel, hatte Christian Lindner eine Ablehnung des Betreuungsgeldes gefordert und damit bei der CSU und der eigenen Partei für Irritationen gesorgt. Wörtlich sagte Lindner: "Die CSU zwingt die Koalition nun dazu, mit dem Geld, das wir nicht haben, eine Sozialleistung einzuführen, die niemand will." Mittlerweile ist Rösler auf den Zug aufgesprungen und hat mit seiner Aussage "jetzt müsse man in Ruhe darüber sprechen, welche Veränderungen noch notwendig sind" und das man das "Nebeneinander von Betreuungsgeld und Elterngeld" vermeiden müsse, die CSU endgültig auf die Palme gebracht. Familienministerin Schröder (CDU), einer der wenigen CDU-Frauen die für das Betreuungsgeld zu sein scheint (aber afaik trotzdem am Freitag abwesend war) erinnerte umgehend daran das dieses "Nebeneinander" eine Forderung des FDP geführten Justizministeriums war. Derweil verlangt die CSU mehr "Geradlinigkeit & Vertragstreue" von Rösler und erinnert daran, dass dieser selbst mit im Koalitionsausschuss gesessen und das Betreuungsgeld abgesegnet hat. Und um noch richtig Pfeffer reinzubringen hat CSU Chef Seehofer jetzt mit dem Bruch der Koalition gedroht, sollte die CSU nicht endlich ihr Betreuungsgeld bekommen. Dazu fällt mir nur eins ein: Hurra die "Gurkentruppe" und die "Wildsäue" sind wieder da...

Quellen:
Nach Eklat im Bundestag - Rösler will Betreuungsgeld überdenken - CSU protestiert - Politik - sueddeutsche.de
Streit über Betreuungsgeld: Seehofer droht mit Bruch der Koalition - Inland - FAZ