Nach langer Zeit mal wieder ein TdW von mir und da man keine halbe Sachen machen soll, dachte ich mir wir stellen in diesem TdW gleich mal die ganze Realität in Frage...
In letzter Zeit gab es mehr als genug Gründe an der Realität zu zweifeln oder auch zu verzweifeln, aber zunächst sollte man vielleicht klären was diese Realität überhaupt ist. Ein kurzer Blick in die Wikipedia ist oft nützlich, wenn es darum geht sich einem großen Begriff mal ganz grundsätzlich anzunähern und tatsächlich liefern schon die ersten zwei Sätze eine Definition, die gut zu dem Thema dieses TdW passt:
In diesem Sinne ist Realität also etwas greifbares, objektives, etwas das nicht im Auge das Betrachters liegt. Anders gesagt könnte man Realität also als etwas empirisch erfassbares und somit messbares bezeichnen. Nun sind sich aber leider nicht einmal Philosophen und Wissenschaftstheoretiker einig was nun wirklich real ist (wer sich dafür interessiert sollte mal nach Schlagworten wie Konstruktivismus oder Positivismus suchen), doch für diesen Thread finde ich die Definition mehr als ausreichend: Realität ist nicht von Wünschen oder Überzeugungen abhängig.
Doch ist das wirklich so? Leben ein Pegida-Anhänger, der sich in Dresden vor Islamisierung fürchtet, und ein Flüchtlingshelfer, der glaubt jeder hilfsbedürftige Mensch hätte ungeachtet von Herkunft und Religion jederzeit Anspruch auf Hilfe, wirklich in der gleichen Realität? Nehmen sie diese Realität also nur unterschiedlich wahr? Zu diesem speziellen Thema, aber auch ganz allgemein zur Realität, bzw. zu deren Wahrnehmung konnte man in letzter Zeit sehr viel in den Medien sehen / hören / lesen.
Ganz offensichtlich nehmen Menschen mit unterschiedlichen Ansichten, die Realität auf unterschiedliche Weise wahr - schon alleine weil sie bestimme Aspekte unterschiedlich gewichten und bewerten. Daraus folgt auch, das Menschen mit ähnlichen Ansichten solche Aspekte ähnlich gewichten und ähnlich bewerten - sie sehen die Realität (bezogen auf die fraglichen Aspekte) also auch ähnlich. Sind wir also vor allem von Menschen umgeben, die ähnliche Ansichten haben wie wir (und Menschen neigen dazu sich solche Gesellschaft zu suchen), dann können wir schnell zu der Auffassung kommen, dass unsere Sichtweise die wahre Realität widerspiegelt. Hier müssen wir die Begriffe Filterblase und Echokammer einführen. Den Begriff Filterblase prägte Eli Pariser und er meinte damit das durch Verwendung von Algorithmen, die basierend auf Daten über den Nutzer versuchen dessen Suchanfragen zu interpretieren und die Ergebnisse entsprechend zu filtern, Informationen verworfen werden. Auf diese Art bewegt sich ein Nutzer sozusagen in einer Filterblase, in der ihm z. B. beim googeln von Begriffen nur Ergebnisse angezeigt werden, die der Algorithmus für erwünscht bzw. passend hält. Der Begriff der Echokammer führt diesen Gedanken im Grunde weiter, denn wer z. B. seine Informationen hauptsächlich im Internet besorgt, wo die Filterblase für eine vorselektierte Auswahl sorgt, der bekommt irgendwann fast nur noch solche Informationen, die seine ohnehin bereits bestehende Meinung bestärken. Der Begriff der Echokammer ist aber weiter gefasst und nicht nur auf das Internet bezogen - auch die Milieus (im soziologischen Sinne) in denen wir uns bewegen (z. B. der Freundeskreis) können eine Echokammer sein.
In den USA beobachten Soziologen seit längerem den Trend, das Menschen dazu neigen in Nachbarschaften zu ziehen, in denen mehrheitlich Menschen mit ähnlichen Ansichten leben. Vereinfacht gesagt Menschen mit einem eher liberalen Weltbild die die Demokraten wählen, ziehen in Demokraten-Hochburgen, Menschen die eher konservativ eingestellt sind und die Republikaner wählen, ziehen in Republikaner-Hochburgen. Auch so entstehen natürlich Echokammern und diese Partei-Hochburgen erlauben, dem Data-Mining sei Dank, tatsächlich so etwas wie eine Wahlmanipulation, in dem man die Wahrkreise entsprechend anpasst (Stichwort: Gerrymandering). Tatsächlich hat Donald Trump die Wahl gewonnen, obwohl die Clinton mehr Stimmen bekam - weil Trump mehr Wahlmänner gewinnen konnte. Ob Gerrymandering oder Big-Data die Wahlen wirklich beeinflusst haben sei mal dahin gestellt, Fakt ist das es möglich ist "Echokammern" zu identifizieren und die Menschen dort gezielt mit Informationen zu versorgen oder eben darauf zu verzichten. Beide Seiten haben im Wahlkampf (und nicht erst in diesem!) auf solche Analysen zurückgegriffen um festzulegen in welchen Gebieten sich Wahlkampf lohnt, wo er überflüssig ist (eigene Hochburgen) und wo er sinnlos ist (gegnerische Hochburgen).
Der US Wahlkampf bringt uns aber auch direkt zu dem nächsten Begriff: Postfaktisch. Postfaktisch wurde gerade erst zum Wort des Jahres gekürt und es wurde von der Historikerin Jill Lepore geprägt, die versuchte eine Erklärung dafür zu finden das im Vorwahlkampf der Republikaner nicht Fakten entscheidend waren, sondern möglichst spektakuläre und somit unterhaltsame Lügen. Tatsächlich bezeichneten sich alle republikanischen Präsidentschaftskandidaten gegenseitig als Lügner. Besonders häufig bezeichnete Trump jeden Kritiker als Lügner (obwohl er als prominenter Vertreter der Birther-Bewegung es offensichtlich mit Fakten selbst nicht so genau nimmt). Und wo wir gerade bei Fakten sind, können wir auch gleich den Begriff Fake-News einführen - also Falschmeldungen die absichtlich lanciert werden um einen gewünschten Effekt zu erzielen (z. B. um Meinungen zu manipulieren).
Wir leben also in einer Welt wo Filterblasen und Echokammern unsere Wahrnehmung der Realität verzerren können und wo postfaktische Argumentationen und Fake-News unsere Ansichten manipulieren sollen...
Vor diesem Hintergrund stellt das TdW heute also die Frage: Ist der Realität eigentlich noch zu trauen?
Quellen & mehr zum Thema:
https://de.wikipedia.org/wiki/Realität
https://de.wikipedia.org/wiki/Gerrymandering
http://www.spiegel.de/netzwelt/netz...rung-mit-der-alles-sinn-ergibt-a-1124439.html
http://www.zeit.de/kultur/2016-12/postfaktisch-wort-des-jahres-post-truth-demokratie-jill-lepore
http://www.zeit.de/2016/46/wissenschaft-fakten-politik-postfaktisches-zeitalter
https://www.tagesschau.de/inland/kuenast-strafanzeige-101.html
https://en.wikipedia.org/wiki/Barack_Obama_citizenship_conspiracy_theories
http://www.zeit.de/politik/deutschland/2016-12/fake-news-nachrichten-journalismus
http://www.zeit.de/2016/51/fake-news-glaubwuerdigkeit-sam-wineburg-stanford

In letzter Zeit gab es mehr als genug Gründe an der Realität zu zweifeln oder auch zu verzweifeln, aber zunächst sollte man vielleicht klären was diese Realität überhaupt ist. Ein kurzer Blick in die Wikipedia ist oft nützlich, wenn es darum geht sich einem großen Begriff mal ganz grundsätzlich anzunähern und tatsächlich liefern schon die ersten zwei Sätze eine Definition, die gut zu dem Thema dieses TdW passt:
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/RealitätAls Realität (lateinisch realitas, ‚Wirklichkeit‘; über res, ‚Sache‘, ‚Ding‘, ‚Wesen‘) wird im allgemeinen Sprachgebrauch die Gesamtheit des Realen bezeichnet. Als real wird zum einen etwas bezeichnet, das keine Illusion ist sowie nicht von den Wünschen oder Überzeugungen eines Einzelnen abhängig ist.
In diesem Sinne ist Realität also etwas greifbares, objektives, etwas das nicht im Auge das Betrachters liegt. Anders gesagt könnte man Realität also als etwas empirisch erfassbares und somit messbares bezeichnen. Nun sind sich aber leider nicht einmal Philosophen und Wissenschaftstheoretiker einig was nun wirklich real ist (wer sich dafür interessiert sollte mal nach Schlagworten wie Konstruktivismus oder Positivismus suchen), doch für diesen Thread finde ich die Definition mehr als ausreichend: Realität ist nicht von Wünschen oder Überzeugungen abhängig.
Doch ist das wirklich so? Leben ein Pegida-Anhänger, der sich in Dresden vor Islamisierung fürchtet, und ein Flüchtlingshelfer, der glaubt jeder hilfsbedürftige Mensch hätte ungeachtet von Herkunft und Religion jederzeit Anspruch auf Hilfe, wirklich in der gleichen Realität? Nehmen sie diese Realität also nur unterschiedlich wahr? Zu diesem speziellen Thema, aber auch ganz allgemein zur Realität, bzw. zu deren Wahrnehmung konnte man in letzter Zeit sehr viel in den Medien sehen / hören / lesen.
Ganz offensichtlich nehmen Menschen mit unterschiedlichen Ansichten, die Realität auf unterschiedliche Weise wahr - schon alleine weil sie bestimme Aspekte unterschiedlich gewichten und bewerten. Daraus folgt auch, das Menschen mit ähnlichen Ansichten solche Aspekte ähnlich gewichten und ähnlich bewerten - sie sehen die Realität (bezogen auf die fraglichen Aspekte) also auch ähnlich. Sind wir also vor allem von Menschen umgeben, die ähnliche Ansichten haben wie wir (und Menschen neigen dazu sich solche Gesellschaft zu suchen), dann können wir schnell zu der Auffassung kommen, dass unsere Sichtweise die wahre Realität widerspiegelt. Hier müssen wir die Begriffe Filterblase und Echokammer einführen. Den Begriff Filterblase prägte Eli Pariser und er meinte damit das durch Verwendung von Algorithmen, die basierend auf Daten über den Nutzer versuchen dessen Suchanfragen zu interpretieren und die Ergebnisse entsprechend zu filtern, Informationen verworfen werden. Auf diese Art bewegt sich ein Nutzer sozusagen in einer Filterblase, in der ihm z. B. beim googeln von Begriffen nur Ergebnisse angezeigt werden, die der Algorithmus für erwünscht bzw. passend hält. Der Begriff der Echokammer führt diesen Gedanken im Grunde weiter, denn wer z. B. seine Informationen hauptsächlich im Internet besorgt, wo die Filterblase für eine vorselektierte Auswahl sorgt, der bekommt irgendwann fast nur noch solche Informationen, die seine ohnehin bereits bestehende Meinung bestärken. Der Begriff der Echokammer ist aber weiter gefasst und nicht nur auf das Internet bezogen - auch die Milieus (im soziologischen Sinne) in denen wir uns bewegen (z. B. der Freundeskreis) können eine Echokammer sein.
In den USA beobachten Soziologen seit längerem den Trend, das Menschen dazu neigen in Nachbarschaften zu ziehen, in denen mehrheitlich Menschen mit ähnlichen Ansichten leben. Vereinfacht gesagt Menschen mit einem eher liberalen Weltbild die die Demokraten wählen, ziehen in Demokraten-Hochburgen, Menschen die eher konservativ eingestellt sind und die Republikaner wählen, ziehen in Republikaner-Hochburgen. Auch so entstehen natürlich Echokammern und diese Partei-Hochburgen erlauben, dem Data-Mining sei Dank, tatsächlich so etwas wie eine Wahlmanipulation, in dem man die Wahrkreise entsprechend anpasst (Stichwort: Gerrymandering). Tatsächlich hat Donald Trump die Wahl gewonnen, obwohl die Clinton mehr Stimmen bekam - weil Trump mehr Wahlmänner gewinnen konnte. Ob Gerrymandering oder Big-Data die Wahlen wirklich beeinflusst haben sei mal dahin gestellt, Fakt ist das es möglich ist "Echokammern" zu identifizieren und die Menschen dort gezielt mit Informationen zu versorgen oder eben darauf zu verzichten. Beide Seiten haben im Wahlkampf (und nicht erst in diesem!) auf solche Analysen zurückgegriffen um festzulegen in welchen Gebieten sich Wahlkampf lohnt, wo er überflüssig ist (eigene Hochburgen) und wo er sinnlos ist (gegnerische Hochburgen).
Der US Wahlkampf bringt uns aber auch direkt zu dem nächsten Begriff: Postfaktisch. Postfaktisch wurde gerade erst zum Wort des Jahres gekürt und es wurde von der Historikerin Jill Lepore geprägt, die versuchte eine Erklärung dafür zu finden das im Vorwahlkampf der Republikaner nicht Fakten entscheidend waren, sondern möglichst spektakuläre und somit unterhaltsame Lügen. Tatsächlich bezeichneten sich alle republikanischen Präsidentschaftskandidaten gegenseitig als Lügner. Besonders häufig bezeichnete Trump jeden Kritiker als Lügner (obwohl er als prominenter Vertreter der Birther-Bewegung es offensichtlich mit Fakten selbst nicht so genau nimmt). Und wo wir gerade bei Fakten sind, können wir auch gleich den Begriff Fake-News einführen - also Falschmeldungen die absichtlich lanciert werden um einen gewünschten Effekt zu erzielen (z. B. um Meinungen zu manipulieren).
Wir leben also in einer Welt wo Filterblasen und Echokammern unsere Wahrnehmung der Realität verzerren können und wo postfaktische Argumentationen und Fake-News unsere Ansichten manipulieren sollen...

Vor diesem Hintergrund stellt das TdW heute also die Frage: Ist der Realität eigentlich noch zu trauen?
Quellen & mehr zum Thema:
https://de.wikipedia.org/wiki/Realität
https://de.wikipedia.org/wiki/Gerrymandering
http://www.spiegel.de/netzwelt/netz...rung-mit-der-alles-sinn-ergibt-a-1124439.html
http://www.zeit.de/kultur/2016-12/postfaktisch-wort-des-jahres-post-truth-demokratie-jill-lepore
http://www.zeit.de/2016/46/wissenschaft-fakten-politik-postfaktisches-zeitalter
https://www.tagesschau.de/inland/kuenast-strafanzeige-101.html
https://en.wikipedia.org/wiki/Barack_Obama_citizenship_conspiracy_theories
http://www.zeit.de/politik/deutschland/2016-12/fake-news-nachrichten-journalismus
http://www.zeit.de/2016/51/fake-news-glaubwuerdigkeit-sam-wineburg-stanford
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