[TdW 49] Freiheit - was ist das eigentlich?

Angeregt von Chromatin beschäftigt sich das TdW diesmal mit der Frage: Freiheit - was ist das eigentlich?
Freiheit ist ein hohes Gut, soweit sind sich eigentlich alle einig - doch der Begriff wird auch viel beschworen, oft missbraucht und neigt dazu im wechselnden Kontext, wechselnde Bedeutung zu haben. Anders gesagt: Die Freiheit lässt sich nur schwer definieren. Ganz allgemein gesprochen versteht man unter Freiheit die freie (also unerzwungene) Wahl zwischen verschiedenen Möglichkeiten. Doch was das genau bedeutet hängt natürlich davon ab, ob man von politischer, persönlicher, religiöser oder gar wirtschaftlicher Freiheit spricht. Das TdW lädt diesmal also zu einer großen Grundsatzdiskussion über einen wunderbaren Gegenstand, die Freiheit, ein und stellt die Frage: Freiheit - was ist das eigentlich?
Und zu Beginn möchte ich gleich ein, wie ich finde, wundervolles Zitat mit einer ganz berühmten (politischen) Begriffsdefinition von Rosa Luxemburg einwerfen:
"Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden, sich zu äußern."
 
"Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden, sich zu äußern."
Ist diese Definition nicht dahingehend bedeutungslos, dass sie (unendlich) rekursiv ist? Jede Gruppe von andersdenkenden würde ja wieder eine andere Gruppe brauchen, um ihre Freiheit daran zu definieren, die wiederum eine Gruppe braucht, usw. ad Infinitum. (Das nur um gleich zu beginn ein paar Steine zu werfen)

Um noch grundlegender zu werden, lass uns doch in Frage stellen ob es sowas wie Freiheit überhaupt gibt: Kann der Leser jetzt gerade anders wollen als (nicht) zu antworten? Warum sollte man Entscheidungen treffen können, die nicht von der eigenen Biologie bestimmt werden? Verletzt Freiheit nicht das Kausalitätsprinzip, weil ohne Ursache eine Wirkung (nämlich eine "freie" Entscheidung, die zu einer anderen Ursache/Wirkung führt) entsteht?
 
Tut mir Leid aber über Freiheit ohne direkten Kontext zu diskutieren macht irgendwie
keinen Sinn für mich. Da fällt mir immer nur ein Satz von Kris Kristofferson ein:
"Freedom just another word for nothing left to loose"
Doch dann bekommt Freiheit einen ganz schaalen Geschmack für mich, denn dann ist sie
gleichbedeutend mit Verantwortungslosigkeit, denn zu verlieren hat man immer etwas.

Gruss
 
bad_alloc hat gesagt.:
Um noch grundlegender zu werden, lass uns doch in Frage stellen ob es sowas wie Freiheit überhaupt gibt: Kann der Leser jetzt gerade anders wollen als (nicht) zu antworten? Warum sollte man Entscheidungen treffen können, die nicht von der eigenen Biologie bestimmt werden? Verletzt Freiheit nicht das Kausalitätsprinzip, weil ohne Ursache eine Wirkung (nämlich eine "freie" Entscheidung, die zu einer anderen Ursache/Wirkung führt) entsteht?
Dein Einwand ist natürlich nicht unberechtigt und lädt sicher ebenfalls zu einer interessanten Diskussion ein - allerdings haben wir für dieses Thema bereits einen eigenen Thread: http://www.hackerboard.de/science-fiction/43332-pwf-7-gibt-es-den-freien-willen.html

end4win hat gesagt.:
Tut mir Leid aber über Freiheit ohne direkten Kontext zu diskutieren macht irgendwie
keinen Sinn für mich.
Dann fühle Dich doch frei, über die Freiheit in einem direkten Kontext Deiner freien Wahl zu diskutieren. Politische Freiheit, Freiheit des Internets, freie Liebe - dieser Thread ist für alle freiheitlichen Themen frei...;)
 
Ich denke wir sprechen vom Freiheitsbegriff im politischen Kontext - moeglicherweise bis hin zum Einfluss des Internets ;)

Denn ironischerweise ist gerade das Internet die Ursache für ein stetiges Einschränken unserer Freiheit hier und das ist belegt, denn in unseren Breitengraden sind Gesetze, die im Zusammenhang mit dem Internet entanden sind, nahezu ausnahmslos Gesetze, die Speicherung (Verfolgungsdaten) und Kontrolle fördern.

Freiheit in diesem Sinne ist die Freiheit sich frei zu bewegen, zu äussern und zu agieren. Dabei lehnt sich _diese_ Freiheit an die Tatsache an, dass alles "erlaubt" ist, was _nicht_ gesehen wird ;)

Dieser Gedanke ist ein fundamentales Element unserer Verfassung und die formulierung einer (wie auch immer) gearteten Unschuldsvermutung, setzt Grenzen - schützt uns vor dem Staat.

Nun wird der Staat im Laufe der Zeit stärker Regulieren, was sich in Gesetzen ausdrückt. Der Faktor (technische) Ressourcen und schlichtweg die Möglichkeit, jeden Internetverkehr zu überwachen, werden dazu führen, dass genau das passiert. In technologischer Hinsicht steht jeder Internetnutzer mittlerweile unter einem Generalverdacht. In diesem Sinne macht die Aussage dass das "Internet den Untergang der Zivilisation bedeutet" durchaus Sinn, wenn wir ein hohes Mass gewährter Freiheit, wie zB in Deutschland, als zivilisatorische Errungenschaft betrachten (wovon ich bei halbwegs gescheiten Menschen mal ausgehe).

Mich persönlich wundert jedoch:
- Bei jedem noch so kleinen Versuch des Staates, die heutigen Möglichkeiten zu nutzen und Daten zu sammeln, gehts auf die Barrikaden
- während man über die Anliegen der Datenschützer oft nur schmunzelt und der Vorwurf der Kleinkrämerei laut wird
- obschon die grossen Unternehmen in einem solchen Umfang Daten einsammeln (können/dürfen) worüber jeder noch so totalitaere Staat nur staunen kann

Mein Schluss ist ein pervertiertes Freiheitsverständnis, denn wir scheinen unsere Freiheit im Grunde nicht sehr zu schätzen, sofern es sich nicht um unsere Reisetätigkeit und Unterhaltungssucht dreht. Auch die dräuenden Wolken der Regulierung beeindrucken uns nicht wirklich, solange die Bandbreiten stetig steigen.

Meine Befürchtung ist die Möglichkeit, dass unsere derzeitige "umfassende" Freiheit viel zu grosszügig ist und wir (die meisten!) mit weitaus weniger Freiheit genauso zufrieden sind, solange wir Zugang zur gängigen Unterhaltungsindustrie haben (da schliesse ich die Nachrichten mit ein), denn ich kann schlecht den Wert der Freiheit (unserer hier) bemessen, wenn ich keinen Massstab besitze, der für mich nachvollziahbar ist (steigende Fantasielosigkeit machts hier nicht einfacher). Nachvollziehbar wäre echte Unfreiheit, Polizeiwillkür, Reiseverbote, Hausdurchsuchungen etc.

Im Jahre 1999 (der Wikipedia Eintrag ist falsch) erschien "Code - and other Laws of Cyberspace", worin der Verfassungsrechtler Lawrence Lessig eben jene Entwicklung ankündigte. Nicht als einer der klassischen Schwarzmaler, sondern aus Erfahrung mit der Arbeit einiger Demokratisierungsprozesse (damals ehemalige Sowjetunion).
Nun wäre das nicht das Problem, wenns "nur" das Internet wäre, wie wir es uns vorstellen. tatsächlich ist das Netz aber schon ein Teil unserer Gesellschaft - und es ist (zumindest auf dem Weg) ein elemenarer Teil unserer funktionierenden Volkswirtschaft und damit von höchstem hoheitlichen Interesse (nicht umsonst gibt es das Bestreben freien Zugang zum Netz als Bestandteil einer Human-Rights-Charta zu machen).

Im Hinblick auf die Relevanz des Netzes, d.h. auch die Verquickung mit unseren alltäglichen Tätigkeiten, ist die (Über)Regulierung also reeller Bestandteil unseres Lebens - welche de-facto Freiheit einschränken - auch wenn das nicht jederman auf Anhieb "merkt" (die meisten Menschen haben aber auch eine Verwanzung ihrer Wohnung nicht "bemerkt", was es ja nicht weniger schlimm macht).

In diesem Sinne gehört eigentlich jeder Lehrer geprügelt, der diesen Aspekt nicht anbringt, ebensosehr wie jeder Schüler, welcher dieses Aspekt nicht nachfragt.
 
Auch die Eröffnungsrede von Jacob Appelbaum auf dem 29c3 in Hamburg drehte sich weitgehend um das Thema Freiheit und wie z. B. der staatliche Überwachungswahn diese in aller Welt bedroht. Der Vortrag ist ein eindringliches Plädoyer für Freiheit und gegen Zensur & Überwachung - daher dachte ich mir das passt hier ganz gut rein:
https://www.youtube.com/watch?v=Wl5OQz0Ko8c
 
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