Chromatin hat gesagt.:
Das Buch ist insofern nicht konsequent als dass es wirklich viele Widersprüche enthaelt. Das macht auch so schwierig, ganz besonders das alte Testament. Da darf man nicht vergessen das die Welt aus der damaligen Sicht interpretiert worden ist und scheinbar war das abmurksen anderen Stämme voellig OK. Das Buch ist ja nicht für die Atheisten des 21. Jahrhunderts geschrieben worden
Na ja, auch das Neue Testament ist nicht frei von Widersprüchen (einige Beispiele dafür habe ich in diesem Thread ja bereits aufgezeigt) und für mich ist das ein Problem - immerhin ist die Heilige Schrift das Fundament auf dem das gesamte Christentum errichtet wurde. Wenn schon das Fundament voller Widersprüche steckt - was bedeutet das für die Religion die darauf aufbaut?
Du sagst die Bibel wurde nicht für Atheisten des 21. Jahrhunderts geschrieben, dazu muss ich zunächst einmal sagen das der Atheismus kein Kind des 21. Jahrhunderts ist. Der Atheismus ist, um den französischen Historiker Georges Minois zu zitieren, so alt wie das menschliche Denken, so alt wie der Glaube und der Konflikt zwischen beiden ist beständiges Merkmal der abendländischen Zivilisation. Tatsächlich gibt es den Atheismus schon länger als das Christentum. Und auch in der Geschichte des Christentums gab es zu allen Zeiten, von der Antike bis in die heutige Zeit, Atheisten - auch schon lange vor der Aufklärung. Der Atheismus ist also alles andere als ein Kind des 21. Jahrhunderts oder gar so etwas wie eine Modeerscheinung.
Tatsächlich steht bei den meisten Menschen, die zu Atheisten (oder Agnostikern) werden, eine intensive Beschäftigung mit ihrer Religion am Anfang. Fast alle Atheisten mit christlichem Hintergrund die ich persönlich kenne (mich selbst eingeschlossen
), haben mindestens die Bibel und die Apokryphen gelesen - viele sogar Texte von Kirchenlehrern und Theologen, deren Namen kaum ein Christ kennt (z. B. Augustinus oder Meister Eckhart). Erst das intensive Studium der christlichen Lehre und der Kirchengeschichte hat die meisten dieser Menschen dazu gebracht, sich von jeglicher Religion abzuwenden.
Im Gegenzug haben die meisten Menschen in meinem Umfeld, die sich als Christen bezeichnen, erschreckend wenig Ahnung von christlichen Dogmen. Wenn einer auf meine Frage warum er Christ ist, erzählt wie inspirierend die Bibel sei und ich ein wenig bohre, stellt sich meistens schon bald heraus, dass seine Kenntnisse sich auf die Weihnachtsgeschichte und das eine oder andere der bekannteren Gleichnisse beschränken.
Von daher würde ich sagen das der alte Spruch, vom Wissen als natürlichen Feind des Glaubens, viel Weisheit enthält. Und das gilt nicht nur für naturwissenschaftliches Wissen, das mystische oder religiöse Erklärungen überflüssig macht, sondern gerade auch für religionsspezifisches Wissen - je mehr man sich damit beschäftigt, desto mehr Widersprüche, Ungereimtheiten und Unwahrheiten fallen einem auf.
Und was die christliche Kirche angeht, ist sie für mich primär eine weltliche, machtorientierte Organisation und zwar spätestens seit der Zeit Konstantins, als sich die Kirche mit den römischen Kaisern verbündete (auch wenn Konstantin selbst vermutlich noch als Heide starb). Unter Konstantins Nachfolgern wurde das Christentum nach und nach zur Staatsreligion - eine Position die gnadenlos ausgenutzt wurde um gegen heidnische Konkurrenz vorzugehen.
Nachdem die Macht des römischen Reiches schwand, verbündete sich die Kirche mit dem neuen starken Mann, indem sie mit Chlodwig den mächtigsten germanischen König bekehrte (eigentlich war es eher ein Handel zum beiderseitigen Nutzen) und so auch im Frankenreich zur Staatskirche wurde. Und wieder wurde diese Position ausgenutzt um Konkurrenten gnadenlos zu verfolgen. Zuerst wurden die letzten Heiden Europas zwangsbekehrt oder abgeschlachtet, z. B. bei den Sachsenkriegen Karls des Großen oder später - als die Heiden schon knapp wurden - bei den Kreuzzügen des Deutschen Ordens gegen die Wenden und Litauer. Nebenbei gab es natürlich noch die Kreuzzüge gegen die Ungläubigen im Heiligen Land. Und wenn die Kirche nicht gerade Heiden oder Ungläubige abschlachten ließ, verfolgte sie Abtrünnige in den eigenen Reihen (z. B. Arianer, Katharer oder Albigenser), Hexen und Ketzer oder Männer der Wissenschaft. Besonders deutlich wird der Anspruch auf weltliche Macht immer bei der katholischen Kirche, denn die Päpste sahen sich schon immer als die legitimen Nachfolger der römischen Kaiser - so wählten sie Rom als Sitz, führen ganz offen Titel der alten Cäsaren (wie
Pontifex Maximus) und schmücken sich mit deren Insignien (wie der
Tiara). Ein Hauptgrund für den ewigen Zwist zwischen Päpsten und den deutschen Kaisern des Heiligen Römischen Reiches war die Tatsache das beide für sich beanspruchten die wahren Erben der römischen Kaiser zu sein - neben diesem, eher symbolisch begründeten Konflikt, ging es mit dem Investiturstreit natürlich noch um handfeste Politik.
Aber auch in der Neuzeit war die Kirche immer bereit mit mächtigen Tyrannen ins Bett zu gehen, solange diese nur die kirchliche Position in ihrem Machtbereich stützten - Beispiele dafür sind z. B. der faschistische Diktator Franco in Spanien oder diverse rechtsgerichtete Diktatoren in Süd- und Mittelamerika (z.B. Pinochet).
Wenn ich mir das alles so durch den Kopf gehen lasse und auch an aktuelle Entwicklungen denke, wie z. B. die Übergriffe ultra-orthodoxer Juden auf unzüchtig gekleidete Vierzehnjährige, die jüngsten Konflikte zwischen Protestanten und Katholiken in Belfast oder natürlich die blutigen Unruhen durch fanatische Muslime in Libyen, Ägypten und dem Jemen, dann denke ich die Welt wäre ohne Religionen - zumindest ohne organisierte Religionen - besser dran...
Was ein Mensch glaubt ist allein seine Sache, aber sobald sich Menschen zusammenrotten und anderen ihren Glauben aufzwingen wollen, wird der Glaube zu einem Problem.