Bei der Union stehen die Zeichen zusehends auf Sturm - der, nach Erwin Teufels heftiger Kritik an der Parteiführung, aufgeflammte Richtungsstreit ist voll entbrannt. Und immer offener lehnen sich die Parteibasis und die Landesverbände gegen die Führungsspitze der Partei auf. So berichtete die FAZ kürzlich unter dem vielsagenden Titel
Unmut in der Union: In der CDU rumort es über eine Art Mini-Meuterei: Hintergrund ist der für November geplante Bundesparteitag der Union, auf dem - nach den Willen Merkels & der Parteispitze - die Bildungspolitik im Mittelpunkt stehen sollte. Der Vorstand der CDU hatte dazu bereits ein Papier vorgelegt das unter anderem, gegen den Widerstand vieler Landesverbände, die Abschaffung der Hauptschule vorsieht - nach dem aufgeflammten Richtungsstreit prognostizierten CDU-Größen das auf diesem Parteitag ganz andere Themen in den Mittelpunkt rücken könnten:
Unter führenden CDU-Politikern gibt es Prognosen und Forderungen, Fragen der Bildungspolitik würden nicht Schwerpunkt des CDU-Bundesparteitages im November bleiben, wie dies bisher die Planungen der CDU-Spitze war.
[...]
Andere Themen würden in den Mittelpunkt der Parteitagsberatungen gelangen, wurde von Führungspolitikern vorausgesagt. Es wurde auf die anhaltende Debatte über den Kurs der Partei und auf die Unzufriedenheiten mit der Arbeit der Parteispitze hingewiesen. Auch die Maßnahmen der Bundesregierung zur Stabilisierung des Euro und deren öffentliche Kommunikation könnten dazu zählen.
Debatten über den Kurs der Partei? Unzufriedenheit mit der Arbeit der Parteispitze? Das leidige Thema Euro-Rettung? Das sind Themen die Angela Merkel nicht gefallen können und die darauf hin deuten das der Union ein heißer Herbst bevorsteht. Manche sehen in der Kritik gar erste Anzeichen eines organisierten Widerstands gegen Merkel:
In der CDU beginnen die Unzufriedenen, ihre Kritik in Papieren zusammenzufassen.
[...]
Manche in der CDU vermuten, in den kritischen Stellungnahmen der vergangenen Tage sei eine konzertierte Aktion zu sehen.
Die Reaktion der Merkel-Getreuen ließ natürlich nicht lange auf sich warten, so forderte Volker Kauder umgehend die Kritik müsse "in der Familie bleiben" - Kritiker werteten das aber eher als Versuch sie mundtot zu machen. Ruprecht Polenz konterte Kauders Forderung umgehend im
Tagesspiegel:
Die CDU sollte sich trauen, auch öffentlich zu streiten, um so deutlich zu machen, dass wir um die richtigen Antworten ringen. Solche Diskussionen dürfen nicht abgewürgt werden.
Schweigen und abgewürgte Debatten, bzw. mangelnde Diskussionskultur scheinen ein nicht unerhebliches Problem der Union in diesen Tagen zu sein. So rügte z. B. kein geringerer als Bundespräsident & CDU-Politiker Christian Wulff höchstpersönlich das es nicht einmal zum Ausstieg vom Ausstieg, der wohl abruptesten & radikalsten Kehrtwende einer Partei in Deutschland, einen Parteitag gegeben hatte.
Hier lobte Wulff ausdrücklich die Grünen (die hatten dazu einen Parteitag) und kritisierte die Union mit den Worten:
"Es hätte auch denen gut angestanden, zu einer solchen fundamentalen Richtungsveränderung der deutschen Politik einen Parteitag einzuberufen, die diese Veränderung jetzt vollziehen und noch vor Monaten eine andere Entscheidung - auf einem Parteitag - getroffen haben"
Ähnlich sieht es mit der Abschaffung der Wehrpflicht oder, ganz aktuell, der Abschaffung der Hauptschule aus - all diese überraschenden Kehrtwenden wurden der Union ohne große Diskussionen von "oben" aufgezwungen. Auch
diese Kritik des CDU-Bundestagsabgeordneten Dörflinger schlägt in die selbe Kerbe:
Der baden-württembergische CDU-Bundestagsabgeordnete Dörflinger etwa bemängelte: „Nach den Bundestagswahlen 2005 und 2009 haben Wahlanalysen innerhalb der CDU praktisch nicht stattgefunden. Auch die Wahlniederlagen bei den Landtagswahlen in Bremen und Baden-Württemberg Anfang 2011 wurden in den Partei- und Fraktionsgremien nicht diskutiert.“
Nicht umsonst erinnerte Erwin Teufel daran das schwarz-gelb die Wahlen zwar gewonnen hatte, die Union mit 33, 8 Prozent aber das schlechteste Ergebnis seit '49 erzielt hatte. Und damals war Merkel im Volk sehr populär, gut 70% der Bürger bescheinigten ihr eine gute Arbeit als Bundeskanzlerin in der großen Koalition - mittlerweile sehen das nur noch 45% der Bürger so. Im direkten Vergleich würde Merkel gleich gegen zwei SPD Kandidaten verlieren. Und laut dem
ARD-Deutschlandtrend ist die Union auf 32% abgerutscht - während rot-grün mit 51% (SPD=28%, Grüne=23%) so stark wie zuletzt vor zehn Jahren geworden ist.
Auch diese Zahlen tragen natürlich dazu bei Merkels Position zu schwächen und den Richtungsstreit zu verschärfen. Trotz Volker Kauders jüngster Forderung die "Nabelschau" endlich zu beenden, fordern manche Unions-Politker bereits den
Parteitag vorzuziehen. Andere fordern gar einen
„Grundsatzparteitag über Programm und Profil der Union“:
„Es ist höchste Zeit, dass wir unsere Erwartungen an die programmatische Erkennbarkeit der CDU klar und offen an die Bundesvorsitzende und den Generalsekretär herantragen“, sagte Wagner der „Bild“-Zeitung. Wagner lobte den früheren baden-württembergischen Ministerpräsidenten Erwin Teufel ausdrücklich für seine Kritik am Kurs der CDU unter Angela Merkel: „Die Kritik von Erwin Teufel spricht mir aus der Seele und ist alles andere als eine Einzelmeinung – es ist eine riesige Grundströmung von altgedienten Mitgliedern bis zur Jungen Union.“
All das führt dazu, dass sogar die
konservative FAZ zu dem Schluß kommt das die Partei "unübersehbar auf einen Abgrund zutaumelt". Und auch einen Grund bietet die FAZ gleich an - mangelnden Idealismus:
Teufel beschrieb, wie er vor 55 Jahren aus Idealismus in die Union ging. Heute gehen junge Leute in die Union, um Karriere zu machen. Es ist kein Wunder, wenn sie dann später, älter geworden und womöglich am Ziel ihrer Träume, keine Prinzipien haben.
Innerhalb der CDU besteht scheinbar viel Klärungsbedarf, der sich derzeit in einem heftigen Richtungsstreit äußert. Doch das ist längst nicht das einzige Problem von Merkel - denn da wäre noch die CSU. Seehofer hat bereits
angekündigt sich stärker von der Schwesterpartei abgrenzen zu wollen und in der Bildungspolitik fährt die CSU gerade einen Konfrontationskurs zur Merkels Politik:
"Der Antrag hat den entscheidenden Fehler, dass er das zweigliedrige Schulsystem zum Leitbild erhebt", sagt der CSU-Bildungspolitiker Albert Rupprecht im SPIEGEL. "Das ist ein Irrweg." Ähnlich äußert sich der bayerische Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU). "Man kann nicht den Mangel an Facharbeitern beklagen und dann die Hauptschule, die auf diese Berufe vorbereitet, abschaffen."
Auch die PKW-Maut, Seehofers neues Lieblingsthema, ist ein direkter Angriff auf Merkel - und auf die FDP:
Der Streit über eine mögliche Pkw-
Maut für deutsche Autobahnen verschärft sich. CSU-Chef Horst Seehofer attackierte Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU), nachdem dieser den Plänen eine deutliche Absage erteilt hatte. "So wie Herr Kauder darauf geantwortet hat, können wir in Deutschland keine Politik betreiben", empörte sich
Seehofer am Sonntag in der ARD.
Kauder hatte am Wochenende die ablehnende Haltung der CDU beim Thema Pkw-Maut bekräftigt. "Die Bundeskanzlerin hat gesagt, dass es in dieser Legislaturperiode keine Maut geben wird. Dabei bleibt es", sagte er der "Welt am Sonntag". Kanzlerin
Angela Merkel hatte Ende Juli betont: "Zu meinen Projekten gehört sie nicht." Der Koalitionsvertrag von Union und FDP sieht eine Autobahngebühr auch nicht vor. Dennoch will die
CSU ihr Ziel hartnäckig weiterverfolgen und den Widerstand in der Schwesterpartei brechen. "Wir werden dies ganz, ganz nachhaltig in die Koalition einbringen und auch auf unserem Parteitag Anfang Oktober einen ganz konkreten Beschluss fassen", sagte Seehofer im "Bericht aus Berlin".
Das die FDP, die immer noch unter 5% vor sich hin dümpelt, gegen die PKW-Maut ist, braucht wohl nicht erwähnt zu werden. Wer allerdings in letzter Zeit die Meldungen aus der Wirtschaft - wie z. B. die mögliche Ausweitung des Euro-Rettungsschirms, die Herabstufung der USA, das Einbrechen der Aktienkurse, die Abschwächung der weltweiten Konjunktur, etc. - verfolgt hat, kann sich an einer Hand ausrechnen, dass die von den schwarz-gelben Parteichefs beschlossene Steuersenkung längst nicht in trockenen Tüchern ist. Bei der FDP liegen bei ihrem einzigen Thema die Nerven ohnehin blank, auch hier schlummert vermutlich noch viel Konfliktpotential - vor allem da viele Unionspolitker & Ministerpräsidenten nach wie vor gegen die Steuersenkung sind...
Mein Fazit: Richtungsstreit & Grabenkämpfe in der CDU, Konfrontationskurs der CSU gegen die CDU, die FDP mit dem Rücken zur Wand & allein gegen alle - mitten in der Sommerpause präsentiert sich die Regierungskoalition so zerrüttet wie nie zuvor...
