Ich bezweifle ehrlich gesagt das eine neue Partei etwas an den Missständen unter denen DE, bzw. praktisch alle westlich-kapitalistischen Staaten, derzeit leiden, ändern kann. Zum einen wäre da der, von end4win bereits angesprochene Zeitfaktor, zum anderen wäre eine Partei, bis sie sich etabliert hat und von den Wählern in eine Position gehievt wurde, in der sie wirklich etwas bewegen könnte, von dem bestehenden System korrumpiert worden.
Ich glaube auch nicht das die Parteien das eigentliche Problem sind und ich bin sicher in jeder Partei (ja, sogar bei den schwarz-gelben

) gibt es idealistische, motivierte Leute - doch entweder werden sie während Partei-Karriere korrumpiert oder, wenn sie "unbelehrbar" sind, werden sie eben kaltgestellt und erreichen nie ein bedeutendes Amt.
Das Hauptproblem ist, meiner Meinung nach, das elitäre Gruppen ihren Einfluss auf die "demokratischen" Regierungen schleichend so weit ausgebaut haben, das sie
de facto die Regierungen nach ihrer Pfeife tanzen lassen.
Schon im Jahr 1961 warnte "Ike" Eisenhower bei seiner Abschiedsrede am Ende seiner Amtszeit als US-Präsident vor den Gefahren die der wachsende Einfluss des "militärisch-industriellen Komplexes" für die Demokratie bedeutet:
"Wir in den Regierungsräten müssen uns vor unbefugtem Einfluss -- beabsichtigt oder unbeabsichtigt -- durch den militärisch-industriellen Komplex schützen. Das Potential für die katastrophale Zunahme fehlgeleiteter Kräfte ist vorhanden und wird weiterhin bestehen. Wir dürfen es nie zulassen, dass die Macht dieser Kombination unsere Freiheiten oder unsere demokratischen Prozesse gefährdet. Wir sollten nichts als gegeben hinnehmen. Nur wachsame und informierte Bürger können das angemessene Vernetzen der gigantischen industriellen und militärischen Verteidungsmaschinerie mit unseren friedlichen Methoden und Zielen erzwingen, so dass Sicherheit und Freiheit zusammen wachsen und gedeihen können."
Schon damals hatte der Prozess, das gewisse Interessensgruppen ihren Einfluss auf die Politik beständig ausbauten, also bereits eingesetzt. Es wäre sicher interessant zu wissen inwieweit der Einfluss dieses militärisch-industrielen Komplexes, den Kalten Krieg befeuert und stetig am köcheln hielt - denn für den militärisch-industriellen Komplex war der Kalte Krieg praktisch der Hauptgewinn: Die Militärs erfreuten sich durch die permanente Kriegs-Bedrohung nicht nur eines enormen Einflusses auf die Politik, sie kamen auch in den Genuss gigantischer Militär-Budgtes - die wiederum für die Rüstungsindustrie praktisch eine Lizenz zu Gelddrucken war...X(
Während diese Verflechtungen also schon im Jahre 1961 als Bedrohung für freie Demokratien empfunden wurde, hat die Politik sich auch mit anderen Gruppen in gleicher Weise eingelassen. Eine besondere und momentan sehr spürbare Bedrohung geht dabei von den Banken & der Finanzwirtschaft aus. Obwohl es gerade diese Leute waren, die mit Gier, maßlosem Profitstreben und völlig unseriösen Geschäftspraktiken die Finanzkrise auslösten - gelang es ihnen aber den Schaden, indem sie ihren Einfluss auf die Politik nutzten, komplett auf die Steuerzahler abzuwälzen. Die gleichen Leute die sonst immer von den Kräften des freien Marktes faseln und sich mit dieser Begründung jede staatliche Kontrolle ihrer Geschäftspraktiken verbieten, sind also direkt zu genau diesen staatlichen Institutionen gerannt und haben sich den Kräften des freien Marktes entzogen, indem sie sich unter den Schutz von Milliardenschweren Rettungsschirmen flüchteten - was für unglaubliche Heuchler!
Wie enorm der Einfluss der Finanzwirtschaft auf die Politik mittlerweile ist, wird in diesen Tagen ganz offen zugegeben - so z. B. von dem renomierten Ökonom Max Otte:
Ökonom Otte bezweifelt im Streitgespräch mit Bofinger, dass Banken in die Pflicht genommen werden. "Das wird politisch an der Finanzoligarchie scheitern, sie ist inzwischen so stark, dass sie immer Mittel und Wege finden wird, sich der Aufsicht zu entziehen, um weiter ihren Zockergeschäften zu frönen. Wir schützen die Reichen, die den Staat gekapert haben."
Die liberal-konservativen Parteien sind im besonderen Maße für diese Entwicklung mitverantwortlich - nicht weil sie korrupter als andere Parteien sind, sondern weil sie in ihrer Ideologie das Credo der freien Märkte bereits verinnerlicht haben und somit für die Einflüsterungen der Wirtschaft sehr viel empfänglicher waren. In Folge der Wirtschaftskrise setzt sich diese Erkenntnis auch mehr und mehr bei den Konservativen durch - und zwar nicht nur in Deutschland. So schrieb der erz-konservative britische Journalist Charles Moore kürzlich im Daily Telegraph:
„Die Stärke der Analyse der Linken“, so schreibt der erzkonservative Charles Moore im „Daily Telegraph“, „liegt darin, dass sie verstanden haben, wie die Mächtigen sich liberal-konservativer Sprache als Tarnumhang bedient haben, um sich ihre Vorteile zu sichern.
[...]
„Denn wenn die Banken, die sich um unser Geld kümmern sollen, uns das Geld wegnehmen, es verlieren und aufgrund staatlicher Garantien dafür nicht bestraft werden, passiert etwas Schlimmes. Es zeigt sich – wie die Linke immer behauptet hat –, dass ein System, das angetreten ist, das Vorankommen von vielen zu ermöglichen, sich zu einem System pervertiert hat, das die wenigen bereichert.“
In der FAZ hat Frank Schirrmacher diesen Gedanken aufgegriffen und schreibt:
Das politische System dient nur den Reichen? Das ist so ein linker Satz, der immer falsch schien, in England vielleicht etwas weniger falsch als im Deutschland Ludwig Erhards. Ein falscher Satz, so Moore, der nun plötzlich ein richtiger ist.
[...]
Es war ja nicht so, dass der Neoliberalismus wie eine Gehirnwäsche über die Gesellschaft kam. Er bediente sich im imaginativen Depot des bürgerlichen Denkens: Freiheit, Autonomie, Selbstbestimmung bei gleichzeitiger Achtung von individuellen Werten, die Chance, zu werden, wer man werden will, bei gleichzeitiger Zähmung des Staates und seiner Allmacht. Und gleichzeitig lieferte ihm die CDU ihren größten Wert aus: die Legitimation durch die Erben Ludwig Erhards, das Versprechen, dass Globalisierung ein Evolutionsprodukt der sozialen Marktwirtschaft wird. Ludwig Erhard plus AIG plus Lehman plus bürgerliche Werte – das ist wahrhaft eine Killerapplikation gewesen.
Die derzeitigen Probleme sind daher, meiner Meinung nach, nicht einfach eine Folge mangelnder Alternativen bei der Wahl - dann könnten sie tatsächlich durch eine so schlichte Lösung wie eine neue Partei bewältigt werden, sie sind aber eher systemischer Natur. Wenn die Probleme gelöst werden sollen, müssen sich die Bürger ihre Parteien zurückholen - sie den Klauen der Hydra entreißen, deren Köpfe Wirtschafts-Lobbyismus, "externe Berater" in den Ministerien und mangelnde Transparenz bei Partei-Spenden & den Nebeneinkünften von Amtsinhabern heißen. Der gordische Knoten der Verflechtungen zwischen Politik & Wirtschaft muss zerschlagen werden - und zwar so wie es Alexander der Große mit dem ursprünglichen Knoten tat: Mit einem schnellen, harten Schnitt.
Wie gesagt denke ich nicht das eine neue Partei das bewältigen könnte - wie es möglicherweise zu bewältigen wäre, haben uns die Demonstranten in Tunesien & Ägypten (und zuvor schon in der DDR) doch anschaulich gezeigt: Wenn der Zorn der Masse sogar autoritäre Regime in die Knie zwingen kann, kann er ja wohl erst recht dringend notwendige Reformen in demokratischen Staaten erzwingen...
Quellen:
Externe Berater in der Politik: Offene Türen für Lobbyisten - taz.de
Militärisch-industrieller Komplex
Bürgerliche Werte: „Ich beginne zu glauben, dass die Linke recht hat? - Hintergründe - Feuilleton - FAZ.NET
Streitgespräch zur Schuldenkrise - "Lasst Griechenland und Spanien aus dem Euro" - Wirtschaft - sueddeutsche.de